Neuer Ministerpräsident Papademos wird zwei Stunden später ins Amt gehoben als geplant. Grund: Besetzung des Kabinetts ist noch unklar.

Athen/Brüssel. In Griechenland bleibt alles anders, doch das Chaos hat Bestand: Die für 13 Uhr geplante Vereidigung der neuen griechischen Regierung von Ministerpräsident Lucas Papademos ist um zwei Stunden verschoben worden. Wie das Amt des Staatspräsidenten in Athen mitteilte, soll die Zeremonie nun erst um 15 Uhr MEZ stattfinden. Bis zum Mittag war noch nicht klar, welche Minister dem Kabinett angehören sollten. Papademos verhandelte am Vormittag mit den Parteien über die Zusammensetzung des Kabinetts. Die Gespräche zogen sich länger hin als erwartet.

Nach Medienberichten gilt es als sicher, dass der bisherige Finanzminister Evangelos Venizelos im Amt bleiben wird. Der Sozialist hatte bisher eine maßgebliche Rolle in den Verhandlungen Griechenlands mit den EU-Partnern und dem Weltwährungsfonds (IWF) über die Athener Sparprogramme gespielt.

Nach der griechischen Verfassung könnte die neue Regierung wegen ihrer offensichtlichen Mehrheit ohne ausdrückliche Zustimmung des Parlaments vereidigt werden. Papademos muss allerdings innerhalb von zwei Wochen die Vertrauensfrage stellen. Nach Medienberichten wurde nicht ausgeschlossen, dass dies bereits an diesem Wochenende geschehen kann.

+++ Lucas Papademos: Der introvertierte Pragmatiker +++

Der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Papademos hatte am Donnerstag von Staatspräsident Karolos Papoulias den Auftrag zur Bildung einer Übergangsregierung erhalten. Papademos' Koalitionsregierung soll die Beschlüsse des EU-Gipfels Ende Oktober zum Rettungspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro sicherstellen und damit Griechenland vor einem Staatsbankrott bewahren. Die Regierung wird von den Sozialisten (PASOK), den Konservativen (ND) und der rechtsgerichteten Partei LAOS unterstützt. Papademos selbst gehört keiner politischen Partei an. Der 64-jährige erfahrene Banker folgt auf Giorgos Papandreou, der das Amt des Ministerpräsidenten nach der Hälfte seiner vierjährigen Amtszeit aufgibt.

Wie lange die Regierung im Amt bleiben soll, ist nicht genau festgelegt. Die Parteiführer der Sozialisten und der Konservativen hatten für den 19. Februar 2012 Neuwahlen ins Auge gefasst. Dieses Datum ist jedoch im Regierungsauftrag, den Papademos vom Staatspräsidenten bekam, nicht enthalten.

Die drei Parteien des Notkabinetts verfügen über eine deutliche Mehrheit von 254 Abgeordneten im 300-köpfigen griechischen Parlament. Da die Mehrheit offensichtlich ist, kann Papademos ohne ausdrückliche Zustimmung des Parlaments als Regierungschef vereidigt werden. Allerdings muss er dort nach der Verfassung innerhalb von zwei Wochen die Vertrauensfrage stellen.

Fünftägiges Tauziehen beendet

Der Auftrag zur Regierungsbildung beendete ein fast fünftägiges Tauziehen um die Nominierung des neuen Ministerpräsidenten. "Es ist für mich eine große Ehre und eine noch größere Verantwortung“, sagte Papademos. Er sei überzeugt, dass die wirtschaftlichen Probleme zu lösen seien. Die wichtigste Aufgabe der neuen Regierung werde es sein, die Spar- und Reformvorhaben umzusetzen, die Ende Oktober auf dem Gipfeltreffen der Euro-Zone vereinbart worden seien, und das internationale Hilfsprogramm für Griechenland unter Dach und Fach zu bringen.

Papademos rief zu "Einheit, Verständigung und Vernunft“ auf. Der Appell richtete sich an die Bevölkerung, an die Parteien und auch an die Gewerkschaften, die mit Streiks immer wieder das Land lahmgelegt hatten.

Der bisherige sozialistische Regierungschef Papandreou hatte am Mittwoch seinen Rücktritt angekündigt und damit den Weg zur Bildung einer Regierung von Sozialisten und Konservativen freigemacht. Am Donnerstag einigte er sich mit dem konservativen Oppositionsführer Antonis Samaras und dem Ultrakonservativen Giorgos Karatzaferis darauf, dem Staatspräsidenten den früheren EZB-Vize als neuen Ministerpräsidenten vorzuschlagen. Papandreou bezeichnete den Zusammenschluss als ein "historisches Übereinkommen“ und den "Beginn einer neuen Ära“ in Griechenland. Die Führer der kleineren Linksparteien boykottierten das Treffen im Amtssitz des Präsidenten.

Wie lange Papademos im Amt bleiben wird, wurde am Donnerstag nicht ausdrücklich festgelegt. Im offiziellen Kommuniqué des Staatspräsidenten wurde kein Datum für Neuwahlen genannt. Die Parteichefs Papandreou und Samaras hatten zuvor Neuwahlen am 19. Februar 2012 ins Auge gefasst.

EU begrüßt Nominierung Papademos'

Die EU hat die Einigung auf die griechische Übergangsregierung begrüßt. "Wir haben uns schon lange für den notwendigen, parteiübergreifenden Konsens in Griechenland ausgesprochen", teilten EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy mit. Bundeskanzlerin Angela Merkel schien erleichtert, dass Papademos Papandreou nun ablöst: "Wir wollen, dass Griechenland schnell auf einen guten Weg kommt", sagte Merkel. Die Euro-Länder fordern von Athen schriftliche Garantien, bevor eine Auszahlung von acht Milliarden Euro aus dem alten Hilfsprogramm für Athen geleistet werden kann. Papademos hat von Staatspräsident Karolos Papoulias den Auftrag für eine neue Regierung erhalten. Sie soll heute vereidigt werden.

Papademos ist kein Redner, der die Bürger zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Aber der kühle Rechner ist die letzte Hoffnung Griechenlands. "Ich habe mich den größten Teil meines Lebens mit Finanzdingen befasst", sagte der 64-Jährige. Griechenlands Schulden laufen aus dem Ruder und könnten nach einer Prognose der EU-Kommission 2012 knapp 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Die Arbeitslosenquote stieg auf 18,4 Prozent.

Papademos ist einer der wenigen Griechen, die in der europäischen Finanzwelt einen Namen haben und geachtet werden. Er weiß aber auch, dass in Griechenland neben der wirtschaftlichen eine psychologische Depression herrscht. "Wir müssen alle optimistisch sein, dass wir es schaffen können", machte er seinen Landsleuten Mut. Papademos ist an keine Partei gebunden. Von ihm heißt es aber, er stehe den Sozialisten nahe, weil er 1994 vom damaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Andreas Papandreou zum Chef der Zentralbank ernannt wurde. Er gilt als der Architekt des Beitritts Griechenlands zur Euro-Zone.

Mit Material von dpa, rtr und dapd