Der entführte Soldat Gilad Schalit soll am Dienstag gegen 1027 palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden - darunter auch Terroristen.

Jerusalem. Wenige Tage vor dem zwischen israelischer Regierung und der radikalislamischen Hamas verabredeten Austausch des Soldaten Gilad Schalit gegen 1.027 palästinensische Häftlinge wird in Israel erregt über die Dimension des Deals debattiert. Während Staatspräsident Schimon Peres am Wochenende im Akkord Begnadigungen unterzeichnete, stritten Befürworter und Gegner vor allem darüber, dass auch Gefangene freikommen sollen, die an Anschlägen beteiligt waren.

Kritiker werfen der israelischen Regierung vor, dass der Austausch Palästinenser zu weiteren Entführungen animieren könnte und außerdem den Familien der Opfer von Terroranschlägen gegenüber ungerecht sei. Israel hat in der Vergangenheit wiederholt ungleichen Gefangenenaustauschen zugestimmt, nie war das Verhältnis aber so ungleich wie jetzt.

+++ Israel streitet um Freilassung von Soldat Gilad Schalit +++

Zum Unmut in Israel trug auch ein Gefängnisinterview des israelischen Fernsehsenders Kanal 2 mit der Palästinenserin Ahlam Tamimi bei, die einen Selbstmordattentäter nach Jerusalem brachte, der 15 Menschen mit in den Tod riss. Auf die Frage, ob sie Reue empfinde, antwortete Tamimi: „Nein, warum sollte ich?“ Auch eine ganze Reihe von Attentätern sollen frei kommen. Die Hamas verkündete am Samstag unter anderem, dass auch Jehia Sanwar, einer der Gründer des militanten Hamas-Flügels, unter den Begnadigten sei. Er war zu mehreren lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden.

Mehrere Hinterbliebene legten Klage gegen den Austausch ein – es wurde aber nicht damit gerechnet, dass es zu einem gerichtlichen Stopp kommt. Der Graben der Befürworter und Gegner ging jedoch selbst durch Familien von Opfern: Ron Kehrman, dessen Tochter 2003 von einem Selbstmordattentäter in den Tod gerissen wurde, sagte, drei der an dem Anschlag beteiligten Palästinenser sollten freikommen. Er sei dagegen, weil dies zu weiteren israelischen Anschlagsopfern führen könnte. Josefa Goldstein, die ihre Tochter 2002 durch einen Anschlag verlor, sagte dagegen, sie sei wegen der Wiedervereinigung Schalits mit seinen Eltern für den Austausch.

Der Staatspräsident begann am Samstag mit den Begnadigungen der Palästinenser. Peres habe 48 Stunden Zeit, die Begnadigungen zu unterschreiben, sagte eine Sprecherin.

Die Hamas bereitete unterdessen unter größter Geheimhaltung die Freilassung des seit fünf Jahren festgehaltenen israelischen Soldaten vor. Sie fürchtete, der Deal könnte platzen, wenn Israel vorher Schalits Standort ausfindig macht. Schalit war im Juni 2006 auf der israelischen Seite der Grenze von Hamas-Kämpfern überfallen und in den Gazastreifen verschleppt worden.

Die Übergabe soll voraussichtlich am Dienstag in Ägypten stattfinden, wie aus Hamas-Kreisen verlautete. Die ägyptischen Behörden sollten Schalit übernehmen und anschließen an Israel übergeben. Zeit und Route blieben geheim, Schalit werde aber sicherlich nicht am Grenzübergang zwischen Gazastreifen und Ägypten ausgehändigt, sagte ein Hamas-Vertreter.

Es wird erwartet, dass Israel am Tag von Schalits Freilassung zunächst an die 450 palästinensische Gefangene freilässt. Sie sollten von Israel ebenfalls nach Ägypten transportiert werden, bevor es zum Austausch komme, sagte Mohammed al Barem vom Volkswiderstandskomitee, einer kleineren Extremistenorganisation, die Schalit 2006 entführt hatte.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle wertete den geplanten Gefangenenaustausch als neue Chance für den Friedensprozess im Nahen Osten. „Jedes neue Momentum sollte genutzt werden. Ich appelliere an beide Seiten, alles zu unterlassen, was die Wiederaufnahme von direkten Gesprächen oder den Erfolg von Friedensverhandlungen gefährden könnte“, sagte der FDP-Politiker der Zeitung „Bild am Sonntag“. Es sei überfällig, dass der Nahost-Friedensprozess durch direkte Gespräche zwischen den Palästinensern und Israel wieder in Gang komme. (dapd