Den Terrorattacken auf dem Sinai folgten Luftangriffe auf den Gazastreifen. Vermutlich haben auch Syrien und der Iran die Finger im Spiel.

Jerusalem. Als klar war, dass bei einem der schwersten Terroranschläge in Israel seit Langem, insgesamt acht Menschen getötet und 30 verletzt worden waren, trat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Donnerstagabend vor die Kameras. "Wenn israelische Bürger angegriffen werden, reagieren wir sofort und mit aller Kraft", sagte Netanjahu. "Das Prinzip wurde auch heute angewandt: Jene, die die Befehle gaben, unsere Bürger zu ermorden, und sich in Gaza versteckten, weilen nicht mehr unter den Lebenden."

Verantwortlich für die Anschlagsserie nahe der Touristenstadt Eilat waren nach Einschätzung der israelischen Geheimdienste die Volkswiderstandskomitees im Gazastreifen. Nur wenige Stunden nach den Anschlägen war das Versteck der Führungsriege ausgemacht. Um 18.30 Uhr flog die Luftwaffe einen Angriff und tötete mit einem gezielten Schlag fünf Anführer der Organisation, darunter auch Chaled Masri, der eine wichtige Rolle bei der Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalit im Jahr 2006 gespielt haben soll. Bei dem Angriff soll außerdem ein 13-jähriger Junge ums Leben gekommen sein, 21 Menschen wurden verletzt. Im Laufe der Nacht flog die Luftwaffe dann sieben weitere Angriffe im Gazastreifen. Dabei gab es mindestens zwei weitere Tote.

Auch auf israelischer Seite kreischten am Freitag wieder die Sirenen: Zehn Grad- und Kassam-Raketen wurden auf Israel abgefeuert. Eine Rakete schlug im Industriegebiet von Aschdod nahe einer orthodoxen Religionsschule ein und verletzte zwei Personen, eine weitere Rakete wurde vom neuen Abwehrsystem Iron-Dome abgeschossen. Sowohl Israel als auch die im Gazastreifen regierende Hamas bekundeten aber, kein Interesse an einer weiteren Eskalation zu haben.

Die mutmaßlich für die Anschlagsserie verantwortlichen Volkswiderstandskomitees drohten dagegen mit Rache "überall und gegen jeden". Ein Sprecher stritt die Verantwortung für die Tat aber ab. Die Volkswiderstandskomitees wurden im Jahr 2000 in Gaza gegründet und bieten allerlei enttäuschten Militanten anderer Organisationen Unterschlupf. Ehemalige Hamas-Aktivisten sind mit dabei, aber auch Fatah-Leute, die von der neuen gewaltlosen Taktik der Organisation enttäuscht sind. Während die Hamas vor ihren Terroranschlägen zumindest die weitreichenden Konsequenzen abwägt und deshalb vor Anschlägen gegen amerikanische Ziele immer zurückschreckte, haben die Volkswiderstandskomitees im Jahr 2003 auch einen US-Diplomatenkonvoi angegriffen. Die Israelis glauben, die Komitees werden - wie die Hamas und die libanesische Hisbollah - finanziell aus dem Iran unterstützt.

Trotzdem gebe es keine Hinweise darauf, dass die Terroristen auf ausländische Weisung gehandelt hätten. In den vergangenen Monaten hatten in Syrien lebende Palästinenser zweimal versucht, die Grenze auf den von Israel besetzten Golanhöhen zu durchbrechen. Vieles wies daraufhin, dass die Aktion ein vom syrischen Herrscher Baschir al-Assad orchestrierter Versuch war, von seinen internen Schwierigkeiten abzulenken. Auf einen ähnlichen Zusammenhang gebe es nun keine Hinweise, hieß es aus israelischen Geheimdienstquellen. Vielmehr hätten die Terroristen das Machtvakuum auf der Sinai-Halbinsel nach dem Sturz des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak genutzt. Im Sinai tummelt sich eine Vielzahl radikaler islamistischer Gruppierungen, die auch Terroranschläge gegen ägyptische Sicherheitskräfte verüben.

Am Freitagmorgen explodierte der Sprengsatz eines Selbstmordattentäters in unmittelbarer Nähe einiger ägyptischer Soldaten an der israelisch-ägyptischen Grenze. Der Täter soll auch zu dem Terrorkommando gehört haben, das am Donnerstag nach Israel eingedrungen war. Schon da waren drei ägyptische Soldaten getötet worden, als sie ins Kreuzfeuer gerieten. Laut einer Presseerklärung der ägyptischen Armee hatte "ein israelischer Hubschrauber die Terroristen verfolgt", als die Ägypter in die Schusslinie gerieten. Um die ohnehin schon angespannten Beziehungen zur Militärregierung in Kairo nicht weiter zu belasten, bemühte man sich in Jerusalem, den Ägyptern keine Mitschuld an den Anschlägen zu geben. Tatsächlich hatte Ägypten erst in der vergangenen Woche nach Rücksprache mit Israel seine Militärpräsenz im Sinai stark erhöht, um eine Offensive gegen die erstarkenden Islamisten einzuleiten. Außerdem sollen ägyptische Soldaten den Israelis bei der Suche nach den Tätern geholfen und zwei von ihnen erschossen haben.

Dennoch hat der Zwischenfall für Israel schwerwiegende strategische Implikationen: War man bisher davon ausgegangen, die kaum gesicherte, 240 Kilometer lange südliche Grenze zu Ägypten stelle kein großes Sicherheitsrisiko dar, wurde man nun eines Besseren belehrt. Es wird für ein kleines Land wie Israel nicht leicht werden, seine Grenzen angemessen zu sichern, wenn es sowohl im Norden als auch im Süden jederzeit bedroht werden kann. Selbst handfeste Geheimdienstinformationen helfen da nicht immer. Schon Tage zuvor hatten die israelischen Geheimdienste nämlich Hinweise auf einen geplanten Anschlag im Süden des Landes. Jordanische Kollegen sollen vor einem Angriff aus dem Sinai gewarnt haben. Das Aufklärungsbataillon der Golani-Brigade und die Anti-Terror-Einheit Yamam wurden deshalb in die Region geschickt. Sicherheitskreise wiesen darauf hin, dass die Zahl der Opfer ohne die schnelle Ankunft der Eliteeinheiten in dem abgelegenen Landesteil noch deutlich höher gewesen wäre.

Von der Art des Anschlags wurden die Israelis allerdings überrascht: Man sei davon ausgegangen, dass die Angreifer im Schutz der Dunkelheit einen Soldaten entführen wollten, hieß es. Stattdessen erfolgte ein Angriff mitten am Tag mit dem Ziel, so viele Menschen wie möglich zu ermorden.