Konflikte innerhalb der Bewegung werden immer deutlicher - Gewalt in anderen Teilen Ägyptens

Kairo. Bei einer der größten Demonstrationen seit dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Husni Mubarak haben sich am Freitag Zehntausende Demonstranten auf dem Tahrir-Platz im Zentrum der ägyptischen Hauptstadt Kairo versammelt. Angesichts einer zusehends gespaltenen Bürgerbewegung wollten sie ein Zeichen der Einigkeit setzen. Ultrakonservative Muslime widersetzten sich jedoch einer Abmachung, strittige Themen bei der Demonstration auszusparen und verlangten die Einführung des islamischen Rechtssystems Scharia.

In der Provinz Minja südlich von Kairo wurden bei einem Angriff unterdessen zwei christliche Ägypter getötet. Bewaffnete hätten das Feuer auf ein Auto eröffnet, hieß es aus Militärkreisen. Dabei seien zwei Menschen getötet und zwei weitere verletzt worden. Das Motiv des Anschlags sei noch unklar. Es war bereits der zweite tödliche Angriff innerhalb von zwei Wochen in dem überwiegend von Christen bewohnten Dorf Roman.

Bei der Kundgebung in Kairo forderten die Demonstranten der unterschiedlichen Flügel gemeinsam, dass Mitgliedern der Regierung des vor fünf Monaten gestürzten Expräsidenten Mubarak zügig der Prozess gemacht wird. Zudem setzten sie sich für einen klaren Zeitplan für den Übergang zu einer zivilen Regierung ein. Derzeit wird Ägypten provisorisch von einem Militärrat regiert.

Zu Aufregung führten lautstarke Rufe der ultrakonservativen Salafisten, die für die Einführung der Scharia demonstrierten. Verschiedene Gruppen hatten sich vor den Protesten geeinigt, dass strittige Themen ausgespart werden sollten. Anstatt „Friedlich, friedlich“ riefen die Salafisten jedoch „Islamisch, islamisch“. Und statt des populären Slogans aus der tunesischen Revolution „Das Volk will das Regime stürzen“ skandierten die Salafisten „Das Volk will die Scharia einführen“.

Salafisten sind Anhänger der wahabistischen Auslegung des Islams aus Saudi-Arabien und gelten als radikaler als die ägyptische Muslimbruderschaft. Dass die Proteste größer waren als zuletzt, zeigt den Einfluss islamistischer Gruppen. Diese waren zuletzt Demonstrationen ferngeblieben, weil sie den Militärrat unter Druck setzen wollten.

Die Generäle unterstützen wie säkulare Ägypter eine Forderung nach festen Regeln für eine Verfassungsreform nach der kommenden Parlamentswahl. Religiös gesinnte Parteien, wie die gut organisierte Muslimbruderschaft, wenden sich gegen solche Richtlinien. Ihrer Ansicht nach sollten die Kräfte eines neu gewählten Parlaments nicht derart beschränkt werden.

In der Stadt Al Arisch auf der Sinai-Halbinsel feuerten Salafisten bei einer Demonstration mit Raketenwerfern und weiteren schweren Waffen in die Luft. Dabei sei ein Junge verletzt worden, verlautete aus Geheimdienstkreisen.

In der Stadt Assiut im Süden des Landes hätten Salafisten Mitglieder der kommunistischen Partei geschlagen, die sich der Demonstration der Islamisten anschließen wollten, teilte der stellvertretende Polizeichef Josri el Dschammasi mit.