Massive Angriffe auf Rebellen-Stellungen. Flugverbotszone bleibt international umstritten

Hamburg. Mit dem massiven Einsatz seiner Luftwaffe und von Raketenartillerie hat der bedrängte libysche Diktator Muammar al-Gaddafi gestern versucht, die Aufständischen zurückzudrängen. An mehreren Schauplätzen gab es heftige Gefechte mit zahlreichen Opfern. Genaue Angaben sind nicht zu erhalten - das Regime hat vielerorts die Telefon- und Internetverbindungen gekappt. Gaddafis Luftwaffe flog mindestens fünf massive Angriffe auf Rebellenstellungen in der seit Tagen umkämpften Ölhafenstadt Ras Lanuf.

Nach Angaben von Ärzten sollen dort mindestens 26 Menschen schwer verletzt worden sein, einige hätten Arme und Beine verloren. Umkämpft ist auch Sawija unweit der Hauptstadt Tripolis. Die libyschen Regierungstruppen, die wahllos auf Wohnhäuser feuerten, haben nach Angaben der Rebellen die bei Tripolis gelegene Stadt zum Teil eingenommen. Die Krankenhäuser der Stadt sind mit Verwundeten überfüllt.

Mehr als 200 000 Menschen sind bereits vor der Gewalt in die Nachbarländer geflohen. Daher fordern Politiker in zahlreichen Staaten immer vehementer die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen, um die Kampfjets des Regimes am Boden zu halten. Selbst in der arabischen Welt setzt offenbar ein Umdenken ein. Noch in dieser Woche könnte sich die Arabische Liga für eine solche Zone aussprechen, sagte der Botschafter der Arabischen Liga in den USA, Hussein Hassuna, gestern in Washington. "Wenn wir zu lange warten, wird sich die Lage für die Menschen verschlechtern."

Die Regierungen in London und Paris streben ein entsprechendes Uno-Mandat an. Die Resolution dafür ist in Vorbereitung, aber noch nicht verabschiedet. Der britische Premier David Cameron sagte in der BBC, Gaddafi tue seinem Volk "furchtbare Dinge an".

Auch zahlreiche Parlamentarier der Europäischen Union fordern diese Zone. "Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie unschuldige Zivilisten abgeschlachtet werden", sagte der spanische Christdemokrat José Salafranca während einer Plenardebatte in Straßburg. Dagegen sprach sich Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen vorerst gegen ein militärisches Vorgehen aus. Das Militärbündnis plane zwar "für alle Eventualitäten", man "ziele aber nicht darauf ab, in Libyen einzugreifen", sagte er gestern. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) riet zur Zurückhaltung in der Debatte. Nötig seien zunächst eine intensive internationale Abstimmung, ein Mandat des Weltsicherheitsrates sowie eine Einbindung der Arabischen Liga, sagte Westerwelle.

Bislang sind die Veto-Mächte China und Russland jedoch gegen ein militärisches Engagement in Libyen. Während sich US-Präsident Barack Obama in einem Telefonat mit Premier Cameron nur auf die Formel einigen konnte, man werde "das gesamte Spektrum möglicher Antworten" prüfen, erklärte US-Außenministerin Hillary Clinton kühl, die Entscheidung über eine Flugverbotszone müsse von der Uno getroffen werden - "und nicht von den USA". Die EU-Außenminister kommen heute zusammen, um den Libyen-Sondergipfel der EU morgen in Brüssel vorzubereiten. Dort wollen die EU-Staats- und Regierungschefs den sofortigen Rücktritt Gaddafis fordern.