Zum Jahrestag der Flugzeuganschläge des 11. Septembers will eine US-Christengruppe um Terry Jones Korane verbrennen. Barack Obama, Präsident der USA, warnte Jones vor der geplanten Aktion.

Washington/Multan. US-Präsident Barack Obama warnte Terry Jones davor am Sonnabend seine Ankündigung in die Tat umzusetzen. Terry Jones, ein Führer einer US-Christengruppe, hatte angekündigt am 11. September, dem Jahrestag der Flugzeuganschlägen auf das World Trade Center im Jahr 2001, mehrere Korane anzuzünden. Barack Obama sagte in einem Interview mit dem Fernsesender ABC, dass die geplante Koran-Verbrennung einen massiven Zulauf von radikalen Islamisten zur Terror-Gruppe Al-Kaida zur Folge haben könnte. Er nannte es:"eine Rekrutierungs-Goldgrube für die Al-Kaida“.

Er rief das Dove World Outreach Center in Florida auf, die für Sonnabend geplante Aktion zu überdenken. Obama mahnte weiter, Terry Jones solle „auf die besseren Engel hören„ und die Aktion absagen. Das sei nur eine Show, sagte Obama in einem am Donnerstag ausgestrahlten Interview in der Sendung „Good Morning America„ des Senders ABC. Mehr Menschen könnten bereit sein, sich als Selbstmordattentäter in amerikanischen oder europäischen Städten in die Luft zu sprengen. Pastor Terry Jones müsse sich bewusst sein, dass die Aktion den amerikanischen Werten von Glaubenfreiheit und religiöser Toleranz entgegenlaufe.

„Ich hoffe, er versteht, dass das, was er machen will, unseren Werten als Amerikaner völlig widerspricht„, sagte Obama. „Dieses Land ist aufgebaut worden auf den Gedanken der Freiheit und der religiösen Toleranz.„ Und er wolle Jones auch darauf hinweisen, dass diese Aktion „unsere jungen Männer und Frauen in Uniform in große Gefahr bringt. „Das sei eine riesige Werbeaktion für Al-Kaida. In Ländern wie Pakistan und Afghanistan könne es zu größeren Gewalttaten kommen. Proteste von Muslimen in Asien und auf der arabischen Halbinsel gegen die für Sonnabend geplante Koranverbrennung blieben am Donnerstag friedlich. In der pakistanischen Stadt Multan verbrannten rund 200 Anwälte und Bürgerrechtler eine amerikanische Flagge. Die Demonstranten in Multan warnten auf einem Transparent: „Wenn der Koran verbrannt wird, dann ist das der Anfang von der Zerstörung Amerikas.„ In Sprechchören hieß es „Nieder mit Amerika„.

Die kleine Glaubensgemeinschaft mit etwa 30 Mitgliedern will am Jahrestag der Anschläge des 11. September mehrere Korane verbrennen. Das erklärte Ziel ist es, den Islam als eine „gewaltsame und repressive Religion“ zu entlarven. Jones hatte mehrere Jahre in Deutschland gearbeitet, die Gemeinde dort hat sich von ihm distanziert. Seit Tagen verurteilen amerikanische Politiker, Geistliche, Militärs und Prominente den Plan. Auch international gibt es Kritik.

Am Donnerstag warnte ein US-Bischof in Paris vor schwerwiegenden Folgen für die in muslimischen Staaten lebenden christlichen Minderheiten. Diese könnten sich Racheakten ausgesetzt sehen, erklärte der Anglikaner Pierre Whalon. „Wenn Kirchen oder Bibeln verbrannt werden, wenn Christen angegriffen oder ermordet werden, wird nicht nur unsere Gemeinschaft, sondern auch die ganze Welt diejenigen zur Verantwortung ziehen, die das Feuer gelegt haben.“

Die Regierung des Golfemirats Bahrain sprach von einer „schändlichen Tat, die mit den Prinzipien von Toleranz und Koexistenz unvereinbar ist„. In Bahrain ist die Fünfte US-Flotte stationiert. Der indonesische Staatspräsident Susilo Bambang Yudhoyono wandte sich in einem Brief an US-Präsident Barack Obama und rief ihn auf, die Verbrennung zu verhindern.

Die US-Regierung befürchtet, dass die Aktion in muslimischen Ländern zu Ausschreitungen führt. Die evangelikale Kirchengemeinde - das Dove World Outreach Center in Gainesville - die die den Muslimen heiligen Bücher am Jahrestag der von der Al-Kaida verübten Terroranschläge von New York und Washington verbrennen will, ließ sich davon bisher auch nicht von Außenministerin Hillary Clinton und US-Generälen abbringen, die warnten, diese Aktion gefährde amerikanische Soldaten, Diplomaten und Reisende.

US-Botschaften in aller Welt überprüfen auf Anweisung des Außenministeriums in Washington angesichts der angekündigten Koranverbrennung ihre Sicherheitsmaßnahmen. Darüber hinaus sollten in Ländern, in denen antiamerikanische Proteste zu erwarten sind, Warnhinweise an US-Bürger ausgegeben werden.

Die Behörden in Gainesville in Florida teilten mit, die Feuerwehr habe Sektenführer Jones eine Genehmigung für das Entzünden des Feuers verweigert. Jones will an dem Vorhaben aber festhalten, mit oder ohne Genehmigung der Stadt. Rechtsexperten erklärten, der Oberste Gerichtshof der USA habe in seinen Urteilen schon klar gemacht, dass eine auch noch so abweichende Meinung, die vielleicht die Gefühle vieler Menschen verletzt, nicht unterdrückt werden darf.

Die Koranverbrennung fällt unter den Schutz der Meinungsfreiheit

Die von einem anti-islamischen Pastor im US-Staat Florida für diesen Sonnabend geplante Koranverbrennung fällt nach Angaben von Rechtsexperten unter den Schutz der Meinungsfreiheit. Ausschlaggebend sei, ob Pastor Terry Jones von der Glaubensgemeinschaft Dove World Outreach Center mit seiner Aktion eine Meinung ausdrücken wolle, oder ob er damit beabsichtige, Menschen zur Gewalt anzustiften, erklärt Juraprofessorin Ruthann Robson von der Universität von West Virginia.

Im ersten Fall stehe Jones mit seinem Vorhaben, Koran-Schriften am Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 zu verbrennen, unter dem Schutz der Meinungsfreiheit. Sie ist im ersten Verfassungszusatz First Amendment) der US-Verfassung garantiert. Er wolle mit der Aktion auf dramatische Weise seinem Glauben Nachdruck verleihen, dass der Koran böse sei, weil dieser Gewalt und Radikalismus begünstige, sagt Jones, dessen Kirchengemeinde in der Stadt Gainesville etwa 50 Mitglieder hat. Der Pastor hat angekündigt an, trotz Kritik an seinem Vorhaben festhalten zu wollen. Neben dem Weißen Haus haben unter anderem der Vatikan, muslimische Gruppen und der Nato-Oberbefehlshaber in Afghanistan, David Petraeus, die geplante Aktion verurteilt.

Die Aktion wurde aus Feuerschutzgründen verboten

Doch auch wenn die Koranverbrennung von vielen Menschen als beleidigend empfunden würde, ist die Aktion nach amerikanischem Recht voraussichtlich nicht illegal. Jegliches Gesetz, das Jones von seinem Vorhaben abhalten sollte, würde vom Obersten Gerichtshof der USA als verfassungswidrig erklärt, wie der Juraprofessor Steven Schwinn von der Universität von Chicago sagt.

Im Jahre 1989 wurden Gesetze in zahlreichen US-Staaten, die die Schändung der US-Flagge verbieten, außer Kraft gesetzt. Hintergrund war ein Protest vor dem Parteitag der Republikaner in Dallas, bei dem amerikanische Flaggen verbrannt wurden.

Falls Pastor Jones sein Vorhaben in die Tat umsetzt, könnte er dennoch Ärger mit den örtlichen Behörden bekommen, die ihm das Entfachen eines Feuers im Freien untersagt haben. Sollte Jones die angekündigte Koranverbrennung umsetzen, wird er nach Behördenangaben wahrscheinlich eine Gerichtsvorladung wegen des Fehlens einer Zulassung bekommen.

Die geplante Koranverbrennung hilft nach Ansicht des deutschen Afghanistan-Experten Thomas Ruttig den Taliban. „Der Taliban-Propaganda dient das auf alle Fälle“, sagte der Ko-Direktor des Afghanistan Analysts Network (AAN) der Nachrichtenagentur dpa. Sollte die radikale Kirchengemeinde in Florida ihre Drohung wahr machen, „werden islamistische Kreise das als Argument gegen das gesamte internationale Engagement in Afghanistan nutzen“.

Tony Blair empfiehlt: „Lest den Koran, statt ihn zu verbrennen"

Ruttig sagte: „Diese Aktion gibt den Taliban ein weiteres Argument dafür, dass es sich bei dem Konflikt in Afghanistan um einen Kampf zwischen Islam und Christentum handelt.“ Das sei zwar falsch, die „durchgeknallte Randgruppe“, die den Koran verbrennen wolle, liefere den Aufständischen damit aber Munition für ihre These. Die Taliban-Propaganda werde die kleine Kirchengemeinde als Gruppe darstellen, die stellvertretend für alle „christlichen Ungläubigen“ stehe.

Der ehemalige britische Premierminister Tony Blair hat zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Islam aufgerufen. Die geplante Koranverbrennung in Florida sei „respektlos, das ist böse und wird weitgehend von den Völkern, religiös oder nicht, verurteilt werden“, erklärte der Gesandte des Nahost-Quartetts. „Statt den Koran zu verbrennen, ermutige ich dazu, ihn lieber zu lesen“, fügte Blair hinzu. „Als Christ“ schließe er sich der Aufforderung an Jones an, die Koranverbrennung abzusagen.