Opposition will Afghanistan-Mandat völkerrechtlich prüfen

Hamburg/Berlin. Die Bundesregierung fühlt sich nicht direkt verantwortlich für tödliche US-Aktionen gegen führende Taliban in Afghanistan. Deutschland helfe zwar bei der Erstellung von Listen, schreibe dabei aber nur Personen zur Gefangennahme aus, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Christian Dienst, in Berlin. Glaubt man den Angaben des Ministeriums, beteiligen sich deutsche Soldaten nicht an gezielten Tötungen.

Die US-Streitkräfte schalten dagegen laut Dienst in Afghanistan durchaus gezielt Gegner aus. Die Tötungen seien als Möglichkeit im Regelwerk der Nato für den Isaf-Einsatz vorgesehen, sagte er. Dies werde beispielsweise dann vom Völkerrecht als verhältnismäßig zugelassen, wenn es um wichtiges Führungspersonal der Aufständischen gehe, das nicht anders unschädlich gemacht werden könne. "So handeln eben auch hier in diesem speziell diskutierten Fall die Amerikaner", sagte Dienst. Grundlage des Einsatzes von Spezialkräften könnten auch deutsche Aufklärungsergebnisse sein.

Die Veröffentlichung von mehr als 90 000 US-Dokumenten auf der Internetplattform WikiLeaks hat zahlreiche geheime Vorgänge im Afghanistan-Einsatz aufgedeckt. Die Informationen stammen aus amerikanischen Militärdatenbanken und zeigen, dass sich die Sicherheitslage am Hindukusch drastisch verschlechtert hat. Die Unterlagen enthalten auch Informationen über die US-Task-Force 373, der im Einzelfall die Liquidierung von Taliban erlaubt sein soll.

Experten und Politiker in den USA streiten in diesen Tagen weiter darüber, wie gefährlich die veröffentlichten Informationen für die Sicherheit des Landes, der Soldaten in Afghanistan und der Mission der Isaf-Truppen sind. Nach einem Pressebericht seien durch die Dokumente Hunderte Informanten der Nato-Truppen in dem Land gefährdet. Nur kurze Recherchen in den auf der Website WikiLeaks veröffentlichten Akten genügten, um Dutzende Namen von Afghanen zu finden, die den USA und ihren Alliierten detaillierte Informationen geliefert hätten, berichtete die britische Zeitung "The Times".

Auch in Deutschland sorgt die Veröffentlichung der geheimen Dokumente weiter für Aufregung. Im März 2011 werden die Politiker im Bundestag erneut über die heikle Mission der Bundeswehr in Afghanistan abstimmen. Die SPD will sich nur für eine Verlängerung des Mandats aussprechen, wenn die Bundesregierung die neuen Details aus den veröffentlichten Geheimakten aufklärt.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, sagte der "Berliner Zeitung", die SPD werde die Regierung "in den Ausschüssen intensiv befragen und mit den Informationen konfrontieren". Die Details zur Sicherheitslage im deutschen Einsatzgebiet und zu Vorgängen um die US-Task Force 373 "lassen die positive Regierungserklärung des Außenministers fragwürdig erscheinen", sagte Mützenich. Er forderte die Bundesregierung auf, mit den Bündnispartnern zu klären, "ob wirklich alle Aktionen der US-Armee völkerrechtlich durch das Isaf-Mandat gedeckt sind". Auch die Vorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, hält eine Überprüfung und Neuabstimmung der Afghanistan-Mandate für notwendig. "Es wird immer klarer, dass in Afghanistan Krieg herrscht, wie wir es von Anfang an gesagt haben", erklärte sie.