Bei einer Razzia sollen Akten aus dem Fall des Kinderschänders Marc Dutroux gefunden worden sein. Die Kirche dementiert einen Zusammenhang.

Brüssel. Der frühere Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Kardinal Godfried Danneels (77), ist von der belgischen Justiz mehr als zehn Stunden verhört worden. Medien berichteten, der Kardinal habe bestritten, Missbrauchsfälle in der Kirche des Landes gedeckt zu haben. Dafür suche die Justiz nach Beweisen. Im Fernsehsender RTL hieß es, in 50 Missbrauchs-Dossiers werde berichtet, dass Danneels über die Vorfälle informiert worden sei.

Die Staatsanwaltschaft muss nach dem Verhör entscheiden, ob der zunächst als Zeuge vernommene Kardinal wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt wird. Nicht ausgeschlossen sei auch, dass er abermals verhört werde. In der Zeitung „La Derniere Heure“ hieß es, Danneels habe bei Informationen über Missbrauchsfälle die Opfer entweder an die Diözese verwiesen, in denen der Fall stattgefunden habe, gar nicht reagiert oder den Opfern ein Buch mit dem Titel „Vergeben lernen“ überreicht. Auf zahlreiche Vorhaltungen habe er mit dem Hinweis reagiert, er könne sich nicht erinnern.

Noch immer keine offizielle Bestätigung gibt es dafür, dass bei der umstrittenen Durchsuchung kirchlicher Einrichtungen in Mechelen am 24. Juni auch vertrauliche Unterlagen aus dem Fall des Kinderschänders und Mörders Marc Dutroux gefunden wurden. Die Zeitung „De Morgen“ berichtete am Mittwoch, das Material sei Danneels von einem britischen Satiremagazin zugeschickt worden.

Während des Prozesses 2004 sei das auf drei DVDs zusammengefasste komplette Dutroux-Dossier in die Hände von Gerichtsjournalisten gelangt. Das Magazin „The Sprout“ habe die These vertreten, die Dutroux-Opfer seien von einem Netzwerk hochrangiger belgischer Politiker und Kirchenvertreter missbraucht worden. Die Zusendung an Danneels sei erfolgt, um den Kardinal zu einer Reaktion zu bewegen.

Danneels stand rund 30 Jahre, von Ende 1979 bis Anfang 2010, an der Spitze des Erzbistums Mechelen-Brüssel und der Belgischen Bischofskonferenz. Am 24. Juni hatte die Brüsseler Staatsanwaltschaft bei einer Razzia zahlreiche Akten und Rechner am Sitz des Erzbistums in Mechelen sowie sämtliche Dossiers der Untersuchungskommission in Löwen konfisziert. Begründet wurde die Aktion damit, dass laut Hinweisen an die Justiz Beweismaterial unterschlagen worden sei. Inzwischen ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft, um zu prüfen, ob die Durchsuchungen rechtmäßig waren.

Unter den Fotos und Dokumenten aus den Gerichtsakten über den Fall Dutroux sind Bilder der ermordeten Kinder Julie und Melissa. Einige Aufnahmen aus der Leichenschau waren allein für die Justiz bestimmt. Ein Sprecher der Kirche wies einen Bericht zurück, wonach Ermittler in dem Bischofspalast Dokumente und Fotos fanden, die im Zusammenhang mit dem Dutroux-Skandal stehen. Der Kinderschänder Marc Dutroux hatte in den 90er Jahren mehrere Mädchen zu Tode gefoltert.