Istanbul droht mit Abbruch der Beziehungen, falls Jerusalem sich nicht entschuldigt

Jerusalem/Istanbul. Die politische Krise zwischen den einstigen "strategischen Partnern" Israel und Türkei hat sich weiter verschärft. Im Stil eines Ultimatums ging die türkische Regierung auf Konfrontationskurs zu Jerusalem und drohte im Streit um die israelische Kommandoaktion gegen eine türkische Hilfsflottille vor dem Gazastreifen zum ersten Mal offen mit dem Abbruch der Beziehungen.

Beim Einsatz der israelischen Spezialeinheit Shayetet 13 waren Ende Mai neun türkische Aktivisten an Bord des türkischen Führungsschiffes "Mavi Marmara" durch Kopfschüsse getötet worden waren. Das Schiff hatte als Teil einer pro-palästinensischen Flottille versucht, die Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Mit der Seeblockade will Israel Waffenlieferungen für die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas verhindern. Das Einfuhrverbot für bestimmte Güter hat Israel gestern gelockert. In Zukunft darf auch Baumaterial in das Palästinensergebiet transportiert werden, wenn dies für Projekte der internationalen Gemeinschaft in dem Palästinensergebiet bestimmt ist.

Israel argumentiert, auf der "Mavi Marmara" seien die Soldaten mit brutaler Gewalt angegriffen worden, als sie sich vom Hubschrauber auf die "Mavi Marmara" abseilten. Sie hätten sich nur verteidigt.

"Israel hat drei Möglichkeiten: Entweder es entschuldigt sich oder lässt eine internationale unabhängige Untersuchung zu. Andernfalls werden wir die diplomatischen Beziehungen abbrechen", sagte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu der Zeitung "Hürriyet". Der türkische Außenminister war bereits in der vergangenen Woche mit dem israelischen Industrieminister Benjamin Ben Elieser zu einem Geheimtreffen in Brüssel zusammengetroffen, um die Beziehungen beider Länder zu entspannen. Die Türkei hat bereits aus Protest über den Vorfall ihren Botschafter abberufen, den türkischen Luftraum für israelische Militärflugzeuge gesperrt und gemeinsame Militärmanöver abgesagt. Israels Reaktion auf Davutoglus De-facto-Ultimatum fiel eindeutig aus: "Wir haben keinerlei Absicht, uns zu entschuldigen. Im Gegenteil", sagte Außenminister Avigdor Lieberman.

Die israelische Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat eine eigene Untersuchungskommission zu der Kommandoaktion eingesetzt, der unter dem Vorsitz eines ehemaligen Verfassungsrichters auch ausländische Mitglieder angehören. Der Türkei reicht das aber nicht. Sie will eine unabhängige internationale Untersuchung. Davutoglu hatte bei dem Treffen mit Ben Elieser gedroht, die Türkei könnte den Passagierflugverkehr zwischen beiden Staaten untersagen, falls keine Entschuldigung erfolge. In beiden Staaten ist das türkisch-israelische Geheimtreffen heftig kritisiert worden.