Westerwelle bestellt nach Festnahme mutmaßlicher Spione Syriens Botschafter ein. Golfstaaten wollen Gesandte ausweisen. Lawrow lobt Assad.

Berlin. Der Druck auf Syrien wird von allen Seiten verstärkt - mit wenigen Ausnahmen. Der Bundesaußenminister hat nach der Verhaftung zweier mutmaßlicher Spione den syrischen Botschafter einbestellt. Er habe dem Gesandten deutlich gemacht, dass die Bundesrepublik ein „etwaiges Vorgehen gegen syrische Oppositionelle in Deutschland in keiner Weise akzeptieren“ werde, sagte Guido Westerwelle am Dienstag in Berlin. Deutschland will zudem den Druck auf das syrische Regime erhöhen. „Das bedeutet eine neue Sanktionsrunde, das bedeutet aber auch, dass wir eine Kontaktgruppe der Freunde eines demokratischen Syriens gründen wollen.“ Die Bundesregierung werde ihren Beitrag dazu leisten, dass die Menschen in Syrien, die unter der Gewalt des herrschenden Regimes leiden, nicht allein gelassen werden. Unterdessen kündigten die Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrates an, die syrischen Botschafter aus ihren Ländern ausweisen und ihre Gesandten aus dem Land abzuziehen zu wollen. Russland und China gehen weiter ihren eigenen Weg im Umgang mit dem Regime von Baschar al-Assad.

+++Syrischer Grünen-Politiker überfallen+++

+++Russland will vermitteln - Homs wird beschossen+++

Die Bundesanwaltschaft hatte am Dienstag zwei mutmaßliche Spione im Auftrag des Assad-Regimes in Berlin verhaften lassen. Dem 47-jährigen Mahmoud El A., der die deutsche und die libanesische Staatsangehörigkeit besitzt, und dem 34-jährigen Syrer Akram O.wird vorgeworfen, seit Jahren planmäßig syrische Oppositionelle in Deutschland ausgeforscht zu haben, wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte. Sie waren seit einiger Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet worden. Neben den Wohnungen der beiden Festgenommenen wurden Räumlichkeiten von sechs weiteren Beschuldigten durchsucht. Die sechs Verdächtigen sollen sich an der Ausspähung beteiligt haben. Mahmoud El A. und Akram O. werden morgen in Berlin dem Haftrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt.

Westerwelle ermahnt Russland

Zu den Gesprächen des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit dem syrischen Präsidenten in Damaskus sagte Westerwelle: „Wir erwarten von Russland, dass es ohne Wenn und Aber klar macht, dass diese Gewalt und diese Repression ein Ende haben müssen.“ Westerwelle äußerte sich bei einer Pressebegegnung mit dem belgischen Außenminister Didier Reynders. Lawrow hatte bei seinem Besuch in Syrien lobende Worte für Assad gefunden. „Jeder Führer in jedem Land muss sich seines Teils der Verantwortung bewusst sein“, sagte Lawrow nach Berichten russischer Nachrichtenagenturen zu Assad. „Sie sind sich Ihres bewusst.“

+++Die Paten des Diktators+++

Nach russischen Angaben ist das Land bereit, zur Beendigung der Gewalt eine neue Mission der Arabischen Liga mit deutlich mehr Beobachtern in das Land zu lassen, wie die Agentur Interfax aus Damaskus mit Berufung auf Äußerungen Lawrows meldete. Außerdem wolle Assad weiterhin ein Referendum über eine neue Verfassung zulassen, sagte Lawrow, der sich mit den Ergebnissen des Gesprächs zufrieden zeigte. Assad habe das Signal aus Moskau gehört und sei interessiert an einem Ende der Krise. Eine erweiterte Beobachtermission könne zu einer ernsthaften Stabilisierung der Lage führen, meinte Lawrow.

Zudem will Russland seine separaten Gespräche mit Vertretern der syrischen Opposition fortsetzen und sei zur Zusammenarbeit mit den Beobachtern der Arabischen Liga bereit. „Es ist klar, dass die Anstrengungen zur Beendigung der Gewalt von einem Dialog mit allen politischen Kräften begleitet werden sollen“, sagte Lawrow. Er war vom Chef der russischen Auslandsspionage, Michail Fradkow, begleitet worden. „Heute haben wir eine Bestätigung des syrischen Präsidenten bekommen, diese Arbeit fortzusetzen“, sagte Lawrow weiter. Forderungen der syrischen Opposition nach einem Rücktritt Assads hatte Russland abgelehnt. Als Vetomächte im Weltsicherheitsrat hatten Russland und China zuvor eine Resolution gegen das Regime in Damaskus abgelehnt und damit internationale Empörung ausgelöst.

Nach seinem Veto plant China eine diplomatische Initiative im Syrienkonflikt. Peking könne Diplomaten in andere Länder entsenden, um das Problem anzugehen, erklärte der Sprecher des Außenministeriums, Liu Weimin, am Dienstag. China wolle eine „konstruktive Rolle bei der Förderung einer politischen Lösung“ spielen. Liu bekräftigte Pekings Haltung, dass alle Konfliktparteien „in Syrien die Gewalt einstellen und ihre Probleme mit Hilfe eines Dialogs lösen“ sollten. Die Spannungen in der Region dürften nicht erhöht werden. Das KPC-Organ „Volkszeitung“ nannte die Lage in Syrien in einem Kommentar „äußerst komplex“. Ausländische Hilfe für eine der Seiten könne „die Saat für eine Katastrophe“ legen. Mit ihrem Veto im Sicherheitsrat hätten Russland und China „mehr Zeit für eine politische Lösung der Krise gewonnen“. Bei einer Annahme der Resolution wäre „Syrien binnen zwei Monaten zu einem zweiten Libyen“ geworden.

Arabische Staaten ziehen Konsequenzen

Unterdessen wollen die arabischen Golfstaaten angeblich dem Beispiel Tunesiens folgen und die Botschafter Syriens ausweisen. Zudem wollen sie offenbar ihre eigenen Gesandten aus dem Land abziehen. Das meldete der in Dubai ansässige Nachrichtensender Al-Arabija am Dienstag. Tunesien hatte den syrischen Botschafter am vergangenen Wochenende aus Protest gegen die Militäroffensive in der Stadt Homs zur unerwünschten Person erklärt. Die Außenminister der Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrates - Oman, Kuwait, Saudi-Arabien, Katar, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate – wollen am kommenden Sonnabend in Riad über ihr gemeinsames Vorgehen im Syrien-Konflikt beraten. In den vergangenen Monaten hatten die Golfaraber auch die Monarchien Marokko und Jordanien in ihre Überlegungen eingebunden.

Aus Protest gegen die Gewalt in Syrien haben diese Woche Großbritannien, die USA, Italien und Frankreich ihre Botschafter aus Damaskus zurückgerufen. Außenminister Westerwelle hatte zu dem Thema am Dienstag gesagt, er werde vorerst keinen neuen deutschen Botschafter für das Land ernennen. „Ich denke derzeit nicht darüber nach, diese Position neu zu besetzen“, so Westerwelle. Der bisherige Botschafter in Damaskus, Andreas Reinicke, ist seit Monatsanfang zum europäischen Nahost-Sondergesandten ernannt worden. Schon Anfang Dezember ist die Visa-Stelle der deutschen Botschaft in Damaskus für den Publikumsverkehr geschlossen. Zudem wurde das Personal stark verringert.

Beschuss von Homs geht weiter

Vor Ankunft der Vertreter aus Russland haben die syrischen Streitkräfte am Dienstag ihre Angriffe auf Wohnviertel in der Stadt Homs fortgesetzt. Der Nachrichtensender Al-Arabija strahlte am Morgen Live-Aufnahmen aus der Hochburg der Gegner von Assad aus, auf denen deutlich der Einschlag von Granaten zu hören ist. Die sogenannten Revolutionskomitees berichteten, seit Montagmorgen seien landesweit 128 Menschen getötet worden, davon alleine 95 in Homs.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, die Sicherheitskräfte verfolgten in Homs „bewaffnete Terrorgruppen“. Am Montag hätten sie „Dutzende Terroristen“ getötet. Sechs Angehörige der Sicherheitskräfte seien bei Gefechten dort getötet worden. Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte am Montag erklärt, er sei entsetzt über die Gewalt in Homs. Seit dem Beginn der anfangs noch friedlichen Proteste März 2011 sollen in Syrien rund 6000 Menschen ums Leben gekommen sein. Viele von ihnen starben nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen durch Folter.

Mit Material von dpa/dapd/rtr