Merkel und Sarkozy haben in der Krise die Geduld mit Griechenland verloren. Debatte um Wahlkampfhilfe der Kanzlerin für den Präsidenten.

Paris/Hamburg. Die Idee eines Sperrkontos für Griechenland kommt offenbar aus dem deutschen Finanzministerium. Die Experten von Wolfgang Schäuble (CDU) sollen sich das Konstrukt ausgedacht haben. Es signalisiert den Griechen, dass es keinen Sparkommissar der EU geben wird, der Einnahmen und Ausgaben überwacht. Und dennoch würde das Sonderkonto, auf das die EU Zugriff hätte, den Gläubigern regelmäßige Zinszahlungen garantieren. "Vorrang für den Schuldendienst" heißt das Konto-Motto. Neben den Finanzhilfen würde vermutlich ein Teil der griechischen Staatseinnahmen auf das Sperrkonto fließen und wäre damit anderen Ausgaben entzogen.

Nicht allen gefällt diese Idee, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy in Paris präsentierten. Grünen-Chefin Claudia Roth äußerte sich skeptisch. "Das riecht nach deutsch-französischem Vorschlagsdiktat." Ein Spardiktat auf dem Rücken der sozial Schwachen könne keine Lösung sein. Es fehle ein Gesamtkonzept, monierte sie. Auf der anderen Seite machten Merkel und Sarkozy deutlich, dass ihre Geduld am Ende sei. Der Internationale Währungsfonds in Washington droht hinter den Kulissen angeblich mit einem Ausstieg aus den Hilfen, weil Athen die versprochenen Reformen nicht liefert.

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Und es gibt in der griechischen Schuldenkrise weiter Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Union. Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) legte Athen im Deutschlandfunk den Austritt aus der Euro-Zone nahe. Die Frage sei, ob es nicht besser wäre, "einen Neustart zu machen, eine Art Griechenland 2.0, indem sie sich überlegen, einen neuen Weg zu gehen, und der kann letztlich nur ein Austritt aus der Euro-Zone sein".

Derweil drängte ein anderes Thema auf die Tagesordnung des Merkozy-Treffens. Doch die Bundeskanzlerin spielte es herunter. Normal sei das, was sie für Nicolas Sarkozy tue, sagte Merkel in Paris. Von direkter Wahlkampfhilfe für den französischen Staatspräsidenten könne keine Rede sein. "Ich unterstütze ihn, egal, was er tut", sagte die Kanzlerin und machte erneut das besondere Verhältnis zu Sarkozy deutlich. Das sei auf den französischen Wahlkampf gemünzt.

Nicht nur wegen der Körpergröße begegnen sich die beiden auf Augenhöhe. Kanzlerin und Präsident verstehen sich als die Euro-Retter und überzeugte Protagonisten des vereinten Europa. Die traditionelle Neutralität der Parteipolitiker ist dennoch passé. Jahrzehntelang haben sich deutsche Kanzler und französische Präsidenten aus den jeweiligen Wahlkämpfen herausgehalten. Da war der Sozialist François Mitterand, der mit dem Konservativen Helmut Kohl gut konnte. Sie hielten sich die Hände über den Kriegsgräbern von Verdun und waren trotz aller Unterschiede glühende Verfechter der europäischen Einigung.

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Sozialdemokrat Gerhard Schröder wäre es im Leben nicht eingefallen, explizit für oder gegen Jacques Chirac zu werben. Man traf sich mit den Oppositionspolitikern, aber im Wahlkampf war das diskreter. Doch nun braucht Sarkozy den Ritterschlag aus Berlin. Merkel soll ihm die wirtschaftspolitische Kompetenz verleihen, seine innenpolitischen Maßnahmen adeln. Das gemeinsame Interview von Merkel und Sarkozy gestern Abend im ZDF und bei France 2 ist Teil der Inszenierung des Élysée-Palastes. Im November hatte Sarkozy bereits ein vergleichbares TV-Event mit US-Präsident Barack Obama abgehalten.

"Ich bewundere Frau Merkel dafür, wie sie in der Krise regiert", sagte Sarkozy im TV-Gespräch. Sarkozy hält seinen Landsleuten vor, wie gut Deutschland bislang die Krise gemeistert hat. Wer macht da für wen Wahlkampf? So lassen sich in Frankreich Einschnitte bei der Rente und Sozialreformen besser rechtfertigen. "Es war uns nicht in die Wiege gelegt, dass wir uns gut verstehen", sagte Merkel. "Jetzt haben wir ein gemeinsames Ziel. Europa wird es nur gut gehen, wenn wir voneinander lernen."

Merkel will ihre Wahlkampfhilfe für Sarkozy als CDU-Angelegenheit und nicht als Einsatz der Regierungschefin verstanden wissen. "Hier geht es um ein persönliches Engagement der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Er bestritt, dass Außenminister Guido Westerwelle (FDP) die geplanten Auftritte kritisiert habe. Die Bundesregierung sei im französischen Wahlkampf neutral, sagte Westerwelle am Sonntag in der ARD. "Jeder, der demokratisch legitimiert ist als Regierung von Frankreich, wird ein guter Partner Deutschlands sein."

Schon vor Wochen hatte sich CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe mit französischen Kollegen der UMP getroffen und den Wahlkampf von Sarkozy besprochen. Gröhe sagte, Merkel werde mit Sarkozy gemeinsame Wahlkampfauftritte absolvieren. Dabei hat Sarkozy seine Kandidatur nicht einmal öffentlich erklärt. Die Präsidentschaftswahl in Frankreich findet am 22. April statt, eine mögliche Stichwahl zwei Wochen darauf.

Sarkozy liegt in den Umfragen hinter dem Sozialisten François Hollande zurück. Hollandes ehemalige Lebensgefährtin Ségolène Royal war im Jahr 2007 Sarkozy mit 53 zu 47 Prozent unterlegen. Nun hat sich Hollande als der Gegenspieler Sarkozys etabliert, der das Credo vom Vorbild Deutschland nicht teilt. Die Erhöhung des Lebensarbeitsalters will er wieder kippen, Madame Merkel ist ihm ein Dorn im Auge.

In populären Satiresendungen des französischen Fernsehens wird Merkel wegen ihrer mutmaßlichen Dominanz bereits verspottet. Und das "Journal du Dimanche" brachte das Engagement der deutschen Kanzlerin für ihren besten Freund in Europa so auf den Punkt: "Merkel wählt Sarkozy."

15.000 Staatsdiener müssen gehen

Die griechische Koalitionsregierung hat ihren Widerstand gegen die von den Schuldeninspektoren geforderten Stellenstreichungen aufgegeben. Der griechische Minister für die Reform des öffentlichen Diensts, Dimitris Reppas, gab bekannt, dass die Koalitionsparteien einem Abbau von 15 000 Arbeitsplätzen im Staatsdienst noch in diesem Jahr zustimmten. Bis 2015 sollten insgesamt 150 000 Staatsbedienstete entlassen werden.

Die Troika aus Europäischer Union, Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) macht weitergehende Reformen insbesondere im Arbeitsmarktbereich zur Voraussetzung für ein zweites Rettungspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro. Zuvor war bekannt gegeben worden, dass ein für gestern geplantes Spitzentreffen der griechischen Koalitionsparteien auf heute verschoben worden sei.

Griechenland steht mit dem Rücken zur Wand: Die Hauptgeldgeber Deutschland und Frankreich erhöhen den Druck auf das Euro-Sorgenkind. Das von Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy angeregte Sperrkonto, auf das die griechische Regierung keinen Zugriff hätte, wäre ein Eingriff in die Haushaltsautonomie. In Athen gibt es derweil noch immer keinen großen Durchbruch bei den Spar-Verhandlungen. Die Gewerkschaften kündigten für heute einen Streik an.

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Klare Worte kamen auch aus Brüssel: Dort rief die EU-Kommission zu raschem Handeln auf. "Die Fristen sind bereits überschritten", sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Die Brüsseler Behörde sieht vor allem die Regierung von Regierungschef Lucas Papademos gefordert: "Der Ball ist im Feld der griechischen Behörden", sagte der Sprecher.

Die griechische Regierung steht an mehreren Fronten unter massivem Druck. So muss sie sich mit den Finanzkontrolleuren der Troika nicht nur auf weitere Einsparungen einigen, sondern auch die Verhandlungen mit den privaten Gläubigern für den Schuldenschnitt in Höhe von 100 Milliarden Euro erfolgreich zu Ende bringen. Die Einigung ist Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Tranche von Hilfskrediten. Sollten die Verhandlungen scheitern, droht dem Land im März die Pleite.

Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone sei kein Thema, betonten Merkel und Sarkozy. Es könne aber keine Einigung geben, wenn die Vorschläge der "Troika" nicht umgesetzt würden. In den nächsten Tagen müsse es Fortschritte geben, mahnte Merkel. "Ich kann, ehrlich gesagt, auch gar nicht ganz verstehen, worin der Nutzen weiterer Tage liegen soll." Doch die entscheidende Sitzung von Papademos mit den Chefs der regierungsstützenden Parteien findet erst heute statt. Knackpunkt in den Gesprächen mit Sozialisten, Konservativen und der rechtsgerichteten Partei Laos dürften die von der Troika verlangten Lohnkürzungen auch im privaten Sektor sein. Nach Gewerkschaftsangaben könnte sie bis zu 25 Prozent weniger Einkommen für die Arbeitnehmer bedeuten.