Vor zwei Jahren zerstörte ein Erdbeben das Land. Noch immer sind Millionen Einwohner unterernährt

Port-au-Prince. Nach dem verheerenden Erdbeben am 12. Januar 2010 mit 225 000 Toten leben immer noch eine halbe Million Menschen in Zelten. Die Lebensbedingungen für die Menschen haben sich kaum gebessert. Haiti laviert sich von einer Krise in die nächste. Eine geschwächte Regierung, zunehmende Alltagsgewalt und zögernde Investoren lassen den erhofften Wiederaufbau in weite Ferne rücken. Geschwächt wird das Land zudem durch eine Cholera-Epidemie, die höchstwahrscheinlich von Uno-Blauhelmsoldaten eingeschleppt wurde. Fast 7000 Menschen sind an der Infektionskrankheit bereits gestorben, etwa 520 000 Menschen wurden infiziert.

Die Hoffnungen, die die Menschen in den seit Mai 2011 amtierenden Präsidenten Michel Martelly setzten, erfüllten sich bisher nicht. Trotz 4,5 Milliarden US-Dollar humanitärer Hilfe, die Haiti seit dem Erdbeben aus dem Ausland erhielt, sind die Hälfte der neun Millionen Einwohner unterernährt. 70 Prozent der arbeitsfähigen Menschen sind unterbeschäftigt oder arbeitslos. Millionen leben von den Überweisungen ausgewanderter Angehöriger.

Versprochen hatte Präsident Martelly kostenlose Schulen, Arbeitsplätze, Rechtsstaatlichkeit und Umweltschutz. Stattdessen rang er fünf Monate lang mit dem Parlament, bis er im Oktober Garry Conille zum Premierminister ernennen konnte. "Der Präsident ist geschwächt durch das Gerangel um den Premierminister", urteilt Hans Maier, Haiti-Experte des katholischen Hilfswerks Misereor.

Die politische Krise sei aber nur einer der Gründe für die zähe Bewältigung der Katastrophe. Verantwortung für die lähmende Situation in Haiti tragen Maier zufolge aber auch die ausländischen Helfer.

Denn gut gemeinte Hilfen wie importierte Fertighäuser oder tonnenweise eingeführte Lebensmittel torpedierten die Eigeninitiative der Menschen und schwächten die ohnehin darbende Landwirtschaft. Die Empfängermentalität in Haiti sei seit dem Erdbeben leider verstärkt worden, kritisiert Maier. Einkommen schaffen lediglich die mit Hilfsgeldern finanzierten sogenannten Cash-for-Work-Programme, bei denen Einheimische, die sich am Wiederaufbau beteiligen, Bargeld für ihre Arbeit erhalten. "Haiti wird zur Republik der Hilfsorganisationen", kommentiert die Zeitung "Nouvelliste".