Ein Jahr nach der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad drohen im ganzen Land neue Massenproteste.

Teheran. Die Opposition im Iran will die Protestbewegung gegen die Regierung um jeden Preis am Leben erhalten. Zum Jahrestag der Präsidentenwahl am 12. Juni hat sie deshalb zu neuen Demonstrationen gegen den ultrakonservativen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad aufgerufen. Die Oppositionsführer und deren Anhänger werfen der Regierung massiven Wahlbetrug vor und erkennen das Wahlergebnis weiterhin nicht an. Diesmal soll der Protest aber legal und friedlich sein – das heißt mit Genehmigung der Behörden.

„Auf diese Erlaubnis können sie lange warten“, sagt ein iranischer Aktivist, der aus Furcht vor einer erneuten Inhaftierung nicht namentlich genannt werden will. „Auf das Risiko einer erneuten Massendemonstration (wie nach der Wahl) mit über einer Million Menschen auf den Straßen wird die Regierung nie eingehen.“

Mehr als acht Oppositionsgruppen, darunter auch die Grüne Bewegung von Mir Hussein Mussawi und die Partei Etemad Melli (Nationales Vertrauen) von Mehdi Karrubi, haben vorige Woche beim Innenministerium eine Erlaubnis für die Massendemonstration beantragt. Bislang sind derartige Anträge stets abgelehnt worden. Diesmal wird es nicht anders sein, glauben Beobachter.

Iranische Sicherheitskräfte hatten Anti-Regierungsproteste nach der Wahl im vergangenen Jahr brutal niedergeschlagen. Es gab mehr als 30 Todesfälle. Die Opposition spricht sogar von über 80 Toten. Tausende von Regimegegnern wurden festgenommen. Mehr als 100 von ihnen, darunter auch Journalisten, Künstler, ehemalige reformorientierte Minister und Abgeordnete, sind verurteilt worden und sitzen lange Haftstrafen ab. Zwei Monarchisten wurden hingerichtet, sechs weitere Demonstranten zum Tode verurteilt.

Es gab auch Angriffe von Regierungsanhängern auf Oppositionsführer. Allesamt waren diese einst Säulen des Systems – drei von ihnen sind sogar Kleriker. Nun gelten sie als Revolutionsfeinde und sind als Dissidenten abgestempelt.

Ex-Ministerpräsident Mussawi und der ehemalige Parlamentspräsident Karrubi waren beide Ahmadinedschad bei der Wahl unterlegen. Zusammen mit den beiden Ex-Präsidenten Mohammed Chatami und Akbar Haschemi-Rafsandschani bilden das Oppositionsquartett.

„Die Menschen haben nur ihre legitimen Rechte gefordert, sind aber dafür inhaftiert und gefoltert worden“, sagte Mussawi, der einzige Nicht-Kleriker im Quartett. Für Karrubi ist Ahmadinedschad Schuld an dem jetzigen internationalen Image des Irans. „Der jetzige Präsident ist nicht rechtmäßig im Amt und hat mit seiner sonderbaren Politik das iranische Volk vor der ganzen Welt erniedrigt.“

Ahmadinedschad, der seine Widersacher als „Unkraut“ bezeichnet, hat Betrugsvorwürfe sowie Kritik an seiner Person stets zurückgewiesen. „Die Wahl war die demokratischste in der Welt und mit über 40 Millionen Wählern (85 Prozent) an den Urnen haben wir mit dieser Wahl eigentlich den Weltrekord in Demokratie gebrochen“, so der Präsident. Für ihn sind seine Gegner „lediglich Agenten des Auslands, die beim Volk kein Gehör finden“.

Der Präsident wird sowohl vom obersten Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, als auch dem konservativen Klerus und den einflussreichen Revolutionsgarden unterstützt und ist daher de facto unantastbar.

Die Bereitschaft der Menschen, wieder auf die Straße zu gehen, hat jedoch abgenommen. „Man kann es den Leuten nicht übelnehmen, denn was man von denen im Knast hört und schlimmer noch, nicht mal mehr hört, macht einem schon Angst“, meinte eine iranische Studentin. Sie war bei vielen Demonstrationen dabei. Aber nach den verschärften Sicherheitsmaßnahmen und Berichten über die Behandlung der Inhaftierten, traute sie sich nicht mehr mitzumachen. Laut Karrubi soll es auch Vergewaltigungen im Gefängnis gegeben haben, was die Regierung vehement dementierte. Viele andere Regierungsgegner teilen nun die Bedenken der Studentin, heißt es in Oppositionskreisen.

Darüber hinaus haben die Oppositionsführer keine ausreichenden Mittel, die breite Masse zu erreichen. Ihre Zeitungen wurden geschlossen, ihre Webseiten gefiltert. Die Anhänger der Grünen Bewegung von Mussawi, derzeit die führende Oppositionskraft des Landes, nutzen auch soziale Netzwerke wie Facebook als Kommunikationsmittel, aber auch die sind mittlerweile alle geblockt. Zugang gibt es nur über illegale Proxies – Kommunikationsschnittstellen im Netzwerk.

Grün gilt seit der Wahl als Symbol des Protests, Mussawi selbst ist aber nach Meinung der Grünen selbst eher der „versehentliche Held“. Der ehemalige Ministerpräsident (1981bis1989) wollte eigentlich nur die Wirtschaft ankurbeln, dann aber wurde der eher konservative Politiker plötzlich zum Topreformer des Landes hochgespielt und konnte irgendwann nicht mehr zurückrudern.

„Eine gesunde und freie Atmosphäre braucht Pressefreiheit, sonst kommt sie nie und nimmer zustande“, sagte Ex-Präsident Chatami über die Lage der Presse nach der Wahl. Die Medien, besonders die ausländischen, sind eines der Hauptopfer der Repression. Die Teilnahme an den Protesten ist verboten, genauso wie der Kontakt zu Oppositionsführern. Die meisten Korrespondenten sitzen entweder nur in ihren Büros oder müssen mit Pressekonferenzen von Regierungssprechern oder irgendwelchen Konferenzen vorlieb nehmen. Die Nachrichten – und Bilder – der Proteste kommen nur von den Demonstranten selbst. Deren Echtheit lässt sich nicht überprüfen.