Immer wieder Island. Der Inselstaat im Atlantik, von dessen Küste aus man über den Polarkreis spucken kann, mag noch so starke Anziehungskraft ausüben auf die Anhänger nordischer Romantik und Mythen. Islands Anziehungskraft auf Urlauber war bisher äußerst begrenzt, weil dort mit Abstand die höchsten Rechnungen präsentiert werden - bis die Bankenkrise mit ihrem Epizentrum in der putzigen Hauptstadt Reykjavík alle Welt erschütterte, und Island selbst pleite war. Vielleicht gelingt es uns ja, etwas nachsichtig und milde zu urteilen, wenn wir Island als das sehen, was es ist: das Enfant terrible, das einfach nicht zur Ruhe kommen will. Auch wenn uns sein Hyperaktivitätssyndrom schon gehörig nervt. 17 Millionen Jahre etwa ist die Insel alt, erdgeschichtlich also blutjung. Wenn wir die 17 Millionen Jahre vergleichen mit dem Alter der Erde und dieses gedanklich auf ein Kalenderjahr komprimieren, so wurde Island am 30. Dezember geboren. Dann also, wenn schon die ersten Vorwitzigen ihre Silvesterböller krachen lassen. Was irgendwie passt, denn Island entstand aus unvorstellbaren Explosionen, Feuer und Rauch. "Und die Erde war wüst und leer." So steht es in der Genesis, dem Schöpfungsbericht der Bibel.

Island ist bis auf den schmalen grünen Küstenstreifen so wüst und leer, so steinig und schwefelig, dass dort und nicht anderswo die amerikanischen Astronauten Armstrong und Aldrin trainierten für ihre erste Mondlandung. Für die Geologen ist Island eine der faszinierendsten Inseln der Welt, sind die täglich Dutzenden von kleinen Erdbeben rhythmische Musik; nirgendwo sonst können sie die kosmischen Kräfte, die im Erdinneren wirken, so deutlich nachvollziehen. Ein tiefer Graben zwischen der nordamerikanischen und der eurasischen Platte spaltet nicht nur das längste Gebirge der Welt, den mittelozeanischen Rücken, in zwei Teile, sondern oben, auf seinem Kamm, auch noch Island. Nicht weit entfernt von Reykjavík. Die beiden Platten weiten sich mit tektonischer Spitzengeschwindigkeit von zwei Zentimetern pro Jahr. Reykjavík wandert in Richtung Amerika, der Eyjafjallajökull zu uns nach Europa. Dass Island genau auf diesem Graben liegt, ist kein Zufall. Er hat die Insel geschaffen. Ungeheure Ausbrüche aus jener "Rift"-Zone hoben vor 17 Millionen Jahren die Berge des Nordlandes aus dem Meeresboden. An einer Stelle, die sich zu einem besonders heißen "Hot Spot" entwickelt hatte. Eigentlich könnte die Insel langfristig in dem sich weitenden Graben versinken. Doch die nachschiebenden Kräfte von unten wirken dagegen. Unterhalb von Island liegt nach Meinung der Geologen eine sogenannte Plume, ein aufsteigender Strom heißen Gesteinsmaterials aus dem Erdmantel, aus einer Tiefe von knapp 3000 Kilometern. Er sorgt dafür, dass heute auf Island 31 aktive Vulkane in unregelmäßigen Abständen die Insel - und manchmal auch das übrige Europa - verunsichern.