Nigeria wehrt sich nach Tat von Abdulmutallab gegen Vorwürfe. Das westafrikanisches Land befindet sich im Visier der Geheimdienste.

Lagos. An seinen Ruf als korrupter Staat, in dem es zu Wahlfälschungen und auch Militärputschen kommt, hat sich Nigeria schon gewöhnt – doch eins will das westafrikanische Land auf keinen Fall sein: ein Hort des internationalen Terrorismus. Nach dem gescheiterten Anschlagsversuch des Nigerianers Umar Farouk Abdulmutallab auf ein US-Flugzeug ist sein Heimatland in die Schlagzeilen geraten. Zwar beteuert Regierungssprecherin Dora Akunyili, dass Nigerianer keine Terroristen sind und diese auch nicht unterstützt würden. Doch Geheimdienstexperten sind sich da nicht so sicher.

In Nigeria wohnen etwa 150 Millionen Menschen, die Hälfte von ihnen Muslime, die andere Christen. Seit Jahrzehnten wird das Land von religiösen und ethnischen Gewaltausbrüchen erschüttert, Korruption ist an der Tagesordnung. „Wir haben gewiss eine Menge Probleme“, gibt Regierungssprecherin Akunyili zu. „Aber nicht den Terrorismus. Wir hassen Terroristen.“ Und ein Regierungsvertreter aus dem christlich geprägten Süden des Landes fügt hinzu: „Wir lieben das Leben, wir haben die Kamikaze-Mentalität nicht in uns.“ Außerdem habe sich Abdulmutallab im Ausland radikalisiert und sei im Ausland ausgebildet worden.

Um seinen guten Willen zu beweisen, kündigte Nigeria am Mittwoch an, die großen Flughäfen im Land mit Nacktscannern auszustatten. Die Scanner, mit denen Flugreisende bis auf die Haut durchleuchtet werden können, sollen sofort für die Flughäfen der Hauptstadt Abuja, der südlichen Wirtschaftsmetropole Lagos sowie der Städte Kano und Port-Harcourt angeschafft werden. Später sollten weitere Airports folgen, sagte Luftfahrtchef Harold Demuren und versicherte: „Niemand wird Nigeria als Transitort für Terrorismus oder Drogen nutzen.“

Unterstützung im Kampf gegen das Stigma eines Terror-Landes erhalten die nigerianischen Behörden von den eigenen Landsleuten. Sie gründeten im Internet eine Facebook-Gruppe unter dem Namen: „Wir verurteilen die Tat von Umar Farouk Abdulmutallab – Nigerianer sind KEINE Terroristen.“ Der von einem im Ölgeschäft tätigen Berater aus Port-Harcourt gegründeten Gruppe schlossen sich innerhalb kürzester Zeit mehrere zehntausend Menschen an. Auf ihrer Seite ist unter anderem zu lesen: „Nigerianer sind gute Menschen, wir sind keine Terroristen, wir lieben das Leben.“

Doch all’ diese Aktionen können nicht davon ablenken, dass Nigeria zunehmend ins Visier der Terrorfahnder rückt. Die Region werde von den Geheimdiensten in den USA und Europa genau beobachtet, heißt es beispielsweise beim Forschungszentrum Eurasia in New York. Sie gelte als mögliches Rekrutierungsgebiet des Terrornetzwerks El Kaida. Dabei spiele auch die Nähe zu Niger und Mali eine Rolle, wo El Kaida seit längerem aktiv ist.

Vor allem der Norden Nigerias gilt als möglicher „Nährboden“ des Terrorismus. Dort gilt in zwölf Bundesstaaten die islamische Scharia, viele Menschen leben in bitterer Armut. Vor allem an sie richtete sich offenbar ein Aufruf von Terrorchef Osama bin Laden an das nigerianische Volk im Jahr 2000, sich zu erheben. Zwei Jahre später entstand die Organisation Boko Haram. Sie ist eine Art radikalislamische Sekte, deren Name übersetzt in etwa „Die westliche Lehre ist Sünde“ heißt. Laut informierten Kreisen soll Sektenchef Mohamed Yusuf persönlich Osama bin Laden getroffen und 150 Millionen Dollar für den Aufbau einer El-Kaida-Zelle in Nigeria erhalten haben.

Wie stark Boko Haram ist, ist relativ unklar. Yusuf wurde zwar im Juli nach tagelangen Gefechten mit den Sicherheitskräften im Norden des Landes, bei denen insgesamt 800 Menschen starben, getötet. Doch Experten zufolge hat die Gruppierung längst einen neuen Chef ernannt und verfügt noch immer über enorme Ressourcen.