Rom. Drei Tage nach seinem Sturz im Petersdom hat Papst Benedikt XVI. unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen einen ersten Ausflug aus dem Vatikan gemacht und eine Suppenküche im römischen Stadtteil Trastevere besucht. Der Papst begrüßte in der Einrichtung der Gemeinschaft Sant Egidio gestern Kinder und weitere Gläubige und speiste zusammen mit Armen. Unter Druck waren bei diesem päpstlichen Auftritt die italienische Polizei und die Sicherheitsbeamten des Vatikans: In der Heiligen Nacht war es einer 25-jährigen Frau gelungen, die Sperren im Dom zu überwinden, sich auf Benedikt zu stürzen und ihn zu Fall zu bringen.

Benedikt zeigte in Trastevere keine Berührungsängste: Lächelnd näherte er sich den Absperrungen und begrüßte die auf ihn wartende Menge und vor allem einige Kinder. An seiner Seite war der Chef der Vatikan-Polizei, Domenico Giani. Der Vatikan hatte nach dem Vorfall erklärt, der Papst könne nicht hundertprozentig geschützt werden.

Die verwirrte Italo-Schweizerin Susanna M. wird nach ihrem Angriff jetzt psychiatrisch untersucht. Von ihrer Zurechnungsfähigkeit werde es abhängen, ob sie sich strafrechtlich verantworten müsse, sagte der Präsident des vatikanischen Tribunals, Giuseppe Dalla Torre, der katholischen Zeitung "L'Avvenire". Wichtig könne es dabei auch sein, dass sie unbewaffnet gewesen sei. Der Papst (82) hatte seinen Sturz unverletzt überstanden.

Schwerer getroffen in dem Getümmel wurde der französische Kardinal Roger Etchegaray, der auch stürzte und sich einen Bruch am Oberschenkelhals zuzog. Der 87-jährige Etchegaray musste in der römischen Gemelli-Poliklinik operiert werden. Sein allgemeiner Gesundheitszustand sei gut, so hieß es.

Die Täterin sei in ein Hospital in Subiaco östlich von Rom verlegt worden und müsse dort eine Woche bleiben, erklärte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi. Er sprach von einer "obligatorischen Behandlung".

Die "NZZ am Sonntag" berichtete, die Frau komme aus Frauenfeld zwischen Winterthur und Konstanz, wo sie zwischen 2006 und 2008 in einer sozialpsychiatrischen Wohngruppe gelebt habe. "Während des Aufenthalts bei uns gab es keinerlei Hinweise auf eine religiöse Besessenheit", wird der Heimleiter Rolf Kessler zitiert. Er sieht in ihrer "Grenzüberschreitung" dem Papst gegenüber eine seelische Krise.

Die 25-Jährige hatte sich bereits vor einem Jahr in der Mitternachtsmesse dem Papst zu nähern versucht. Sie wurde vom Sicherheitspersonal im Dom gerade noch rechtzeitig gestoppt. Die spektakulären Bilder, die um die Welt gingen, spielte der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Angelo Bagnasco, herunter: "Nichts Schwerwiegendes ist passiert, es ist der Versuch einer Frau gewesen, den Heiligen Vater zu begrüßen." Sie habe den Papst umarmen wollen, soll die Frau erklärt haben.