Vor 30 Jahren begann Moskaus Feldzug am Hindukusch. Nun lernen auch Amerika und die Nato von den bitteren Erfahrungen der Roten Armee.

Hamburg. "Wir waren schon dort - und es hat uns überhaupt nicht gefallen." Bei diesem Satz denkt man an einen Besuch in einem Theater oder einem unansehnlichen Touristenort. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Aussage des russischen Nato-Botschafters Dmitri Rogosin um die denkbar komprimierteste Bilanz eines zehnjährigen Krieges mit 1,2 Millionen Toten und gravierenden weltpolitischen Folgen.

In der Nacht vom 25. auf den 26. Dezember 1979 hatten 7000 Elitesoldaten der Witebsker Luftlandedivision den Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul besetzt. Es war der Beginn des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan; am Ende sollten fast 120 000 Soldaten der Roten Armee am Hindukusch kämpfen. Ein Jahrzehnt und 15 000 Gefallene später zog sich die UdSSR geschlagen aus dem "Friedhof der Imperien" zurück, der auch ihrer werden sollte.

Der sowjetisch-afghanische Krieg gilt als Modellfall zum Studium der immensen Risiken, die Invasoren in dem zerklüfteten Bergland erwarten, dessen Gipfel bis 7000 Meter aufragen und dessen in zahllosen Schlachten gehärtetes Volk Freiheit und Tradition bis aufs Blut verteidigt.

Begonnen hatte alles 1978 mit der Übernahme der Macht in Afghanistan durch die kommunistische Demokratische Volkspartei Afghanistans, die alles andere als demokratisch war. Rund 30 Mudschaheddin-Gruppen, unterstützt durch den US-Geheimdienst CIA, nahmen den Kampf gegen die prosowjetische Regierung auf, die das zutiefst islamische Land säkularisieren und dem Volk die Segnungen des Kommunismus aufzwingen wollte. Als der Bürgerkrieg eskalierte und Machthaber Mohammad Targi ermordet wurde - der verzweifelt um sowjetische Militärhilfe gebeten hatte -, entschloss sich Moskau trotz erheblicher sicherheitspolitischer Bedenken zur Invasion. Es wurde zu einem brutalen Ringen um die Macht am Hindukusch. Lange waren die Mudschaheddin den Angriffen der schwer gepanzerten und bewaffneten Mi-24-Kampfhubschrauber hilflos ausgeliefert, doch als die CIA den Rebellen tragbare Luftabwehrraketen des Typs "Stinger" lieferten, wendete sich das Blatt. Zudem unterstützte die CIA mit Geld, Waffen und Training eine antisowjetische, internationale Guerillatruppe aus radikalen Islamisten. Ihr Anführer war der saudische Millionär Osama Bin Laden.

Für Russland ist Afghanistan ein noch immer quälendes Trauma. Der 50 Milliarden Dollar teure Krieg hatte die wirtschaftliche Basis der Sowjetunion endgültig zerrüttet und ihren raschen Sturz mit herbeigeführt.

Der nun seit acht Jahren geführte Einsatz der Nato in Afghanistan wird von Pessimisten oft mit dem Vietnam-Krieg verglichen. Doch in jüngster Zeit orientieren sich vor allem die US-Militärs stärker an den Erfahrungen Moskaus. "Von den Sowjets lernen" lautete kürzlich die Überschrift über einer Analyse des Magazins "Newsweek". Hochrangige Veteranen kamen dort zu Wort - und ihre Bewertung ist wenig verheißungsvoll. "Wir hatten keinen Erfolg, und ihr werdet auch keinen haben", sagte General Viktor Yermakow, Kommandeur der Afghanistan-Truppe von 1982 bis 1983. "Sie haben uns nicht getraut, und euch werden sie auch nicht trauen." Das Kernproblem sei, eine fremde Gedankenwelt auf ein uraltes Stammessystem pfropfen zu wollen: "Vergesst eure Idee, dorthin Demokratie bringen zu wollen", empfahl Yermakow.

Der frühere sowjetische und spätere russische Botschafter in Kabul, Zamir Kabulow, sagte: "Es gibt keinen Fehler seitens der Sowjetunion, den die internationale Gemeinschaft nicht wiederholt." Fast wortgleich äußerte sich Moskaus jetziger Amtsträger in Kabul, Andrej Awetisjan. Der Diplomat fügte hinzu: "Aber vielleicht sind diese Fehler unvermeidlich." Manchmal denke er, die Sowjets hätten besser abgeschnitten als die Nato heute, sagte Awetisjan. Doch könne der Krieg militärisch nicht gewonnen werden. Die russische Regierung zeigt derzeit noch wenig Neigung, dem Werben Washingtons nach stärkerem Engagement zu folgen. Immerhin erwägt Moskau auf westliches Drängen, mehr Hubschrauber an Afghanistan zu liefern und mehr afghanische Piloten auszubilden.