Jerusalem. Wegen Terminschwierigkeiten hatte die israelische Oppositionsführerin Zipi Livni ein Treffen mit dem britischen Regierungschef Gordon Brown und einen Auftritt beim Jewish National Fund am vergangenen Sonntag in London abgesagt. Wäre sie geflogen, könnte sie jetzt in einer Londoner Gefängniszelle sitzen. Denn wie die Zeitung "Guardian" berichtete, hatte ein britischer Richter schon einen Haftbefehl für die israelische Politikerin ausgestellt - der allerdings wieder zurückgezogen wurde, als klar war, dass Livni ihre Reise abgesagt hatte und sich gar nicht im Land befand.

Livni wird von Palästinensern vorgeworfen, als Außenministerin während des Gaza-Krieges vom vergangenen Winter an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Israels Außenministerium bezeichnete den Vorfall als einen "zynischen Rechtsmissbrauch auf Initiative radikaler Elemente".

Um zu verhindern, dass Kriegsverbrecher in Großbritannien Zuflucht finden könnten, hat das Land - wie viele andere europäische Staaten - Gesetze verabschiedet, die die Verfolgung solcher Taten auch dann ermöglichen, wenn die Täter weder britische Staatsangehörige sind noch die Taten auf britischem Boden begangen wurden. Eine Eigenart des britischen Rechts ist es, dass schon die Anzeige von Privatpersonen zur Ausstellung eines Haftbefehls führen kann. Für die Prozesseröffnung wäre allerdings die Zustimmung des Generalstaatsanwalts nötig.

Eine Erklärung des britischen Außenministeriums zeigt, wie peinlich der Regierung der Vorfall ist. "Israels Führung muss es möglich sein, für Gespräche mit der britischen Regierung in das Vereinigte Königreich zu kommen", heißt es. Man werde den Vorgang "mit Nachdruck untersuchen".

Der ehemalige Europaminister Denis MacShane forderte eine europäische Regelung, die es sowohl israelischen als auch palästinensischen Politikern erlaube, europäische Hauptstädte ohne Angst vor Strafverfolgung besuchen zu können.

Schon in den vergangenen Jahren wurden prominente Israelis in London angezeigt. Dahinter steckt Daniel Machover, ein israelischer Rechtsanwalt in London, der palästinensische Menschenrechtsorganisationen vertritt. Machover sagt, es gehe ihm nicht nur um Israel. Es könne sich bei den Fällen genauso gut um Afghanistan oder Ruanda handeln. Dennoch scheint die Konzentration auf israelische Politiker auf den Missbrauch des Prinzips einer universalen Rechtsprechung hinzudeuten.

Die Strafverfolgung im Ausland greift allerdings nur, wenn ein Land selbst nicht dazu in der Lage oder willens ist, die betreffenden Fälle selbst zu untersuchen. Interne Untersuchungen der Armee und der Militärstaatsanwaltschaft, die Israel seit dem Ende der Kämpfe durchgeführt hat, gelten nicht als ausreichend.

Schon allein um die Gefahr internationaler Strafverfolgung einzudämmen, finden sich in Israel nun auch Likud-Politiker wie Dan Meridor unter den Fürsprechern einer unabhängigen Untersuchungskommission, wie es sie auch nach den Kriegen von 1973 und 1982 gab.