Moskau. "Timur und sein Trupp" nannte der Volksmund zu Beginn der Neunzigerjahre Jegor Gaidar und seine Mannschaft, als der 35-Jährige - vom damaligen Präsidenten Boris Jelzin zum Premier ernannt - mit einer Handvoll Gleichgesinnter Russland einer marktwirtschaftlichen "Schocktherapie" unterzog. Timur war ein Held der sowjetischen Kinderliteratur, Autor des gleichnamigen Buchs war Arkadi Gaidar, der Großvater Jegors.

Allerdings hatte der Wirtschaftswissenschaftler Jegor kaum etwas mit der Sowjetunion und ihren von der KPdSU verordneten Idealen am Hut, die sein Großvater so rührend beschrieben hatte. Gestern starb der 53-Jährige in der Nähe von Moskau an einer Thrombose.

Er galt als ein Verfechter einer neoliberalen Marktwirtschaft, die er als Minister für Wirtschaft und Finanzen und als Regierungschef mit all ihren positiven wie negativen Folgen konsequent vorantrieb. Bei der Mehrheit der Bevölkerung, die zu Beginn der Neunzigerjahre unter einer Inflation von bis zu 5000 Prozent und einem eklatanten Währungsverfall litt, blieb Gaidar bis heute ein Totengräber des sowjetischen Systems. Damals herrschte Mangel, die Geschäfte waren leer, die Versorgung der Familie war ein täglicher Kampf. Mit der Preisfreigabe für sämtliche Waren rasten die Preise in die Höhe, der Rubel nahm einen realistischen Wert an, der gegen null strebte, aber die Geschäfte füllten sich.

Jegor Gaidar, der Vater dieses rabiaten Kurses, war in den Reihen der kommunistischen Partei aufgewachsen. Schon in jungen Jahren war er in leitenden Positionen der Parteizeitungen tätig. Er trat 1991 nach dem Putsch gegen Kremlchef Michail Gorbatschow aus der KPdSU aus. Jelzin, der nach dem Zerfall der UdSSR als russischer Präsident die Macht übernahm, machte Gaidar zwischen 1991 und 1994 zu einem der einflussreichsten Politiker Russlands, ließ ihn dann aber aus Opportunitätsgründen fallen. Premier Wladimir Putin nannte Gaidars Tod gestern einen "herben Verlust für Russland, für uns alle".