Gemeinsam hatten die Staatsoberhäupter Sarkozy und Brown die Pressekonferenz einberufen. Sie präsentierten sich als neues Führungsduo in Europa.

Brüssel. Es war großes Kino in „Saal 20.45“ des EU-Ministerratsgebäudes in Brüssel. „Präsident Sarkozy ist einer meiner besten Freunde und wir haben in allen wichtigen Fragen sehr eng zusammengearbeitet“, sagte der britische Regierungschef Gordon Brown. Das Publikum, etwa 150 Journalisten, stöhnte hörbar auf: Der absehbare Höhepunkt einer ungewöhnlichen Darbietung inniger und starker Gefühle schien zu nahen.

“Sie müssen uns nicht erklären, wie notwendig es ist, dass wir uns gut verstehen“, sagte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy denn auch mit ernstem Blick. Ein erwartungsvolles Raunen lief durch die Parkettreihen. Dann lächelten sich die beiden Hauptdarsteller an: „Ich war schon immer überzeugt, dass wir Großbritannien in Europa brauchen.“ Und Brown lächelte zurück, kaum dass die Übersetzung in seinem Ohrhörer angekommen war.

Brown und Sarkozy hatten eine gemeinsame Pressekonferenz am Rande des EU-Gipfeltreffens einberufen, um aller Welt zu zeigen, dass es allerbestens um die bilateralen Beziehungen bestellt sei. Medien beiderseits des Kanals hatten berichtet, das laute Triumphieren des Franzosen darüber, dass sein Vertrauter Michel Barnier künftig als Binnenmarktkommissar der EU auch die britischen Finanzdienstleister kontrollieren werde, sei in Downing Street 10 nicht wirklich gut angekommen. Auch Sarkozys Feststellung, London bei der Postenvergabe in der EU der „große Verlierer“, habe Brown gar keine Freude gemacht.

Doch das sollte nun alles rasch wieder vergessen sein. Beide Seiten mühten sich nach Kräften, das nicht erst seit dem Hundertjährigen Krieg des 14. Jahrhunderts um den Thron Frankreichs zwischen französischen und englischen Adligen französischer Herkunft gespannte Verhältnis zu entkrampfen. Ein enger Mitarbeiter Browns ließ noch vor dem EU-Gipfel fast verschwörerisch wissen, es werde „ein Tête-à-Tête“ zwischen dem Briten und dem Franzosen geben.

Sarkozy erinnerte sich, dass er mit Brown über „die alte Schiene der ehemaligen Finanzminister, die man immer zur Zusammenarbeit nutzen kann“ verbunden sei. Seine Schlussfolgerung: „Man muss die Briten in Europa einbinden, statt sie in einer ausschließlich angelsächsischen Solidarität alleine zu lassen.“

Da der Franzose sich zu seinen personalpolitischen Erfolgen nur noch zurückhaltend wenngleich vielsagend lächelnd äußerte (“Wir haben einen bedeutenden Posten bekommen“), stand der Aussöhnung nichts im Weg. „Das ist eine sehr starke Beziehung, die gestern und heute funktioniert hat“, sagte Brown. Auch das gemeinsame Eintreten für die Besteuerung von Banker-Boni sei ein schönes Beispiel für die gemeinsame Wellenlänge, auf der London und Paris funkten. Sarkozy bemerkte, zum Commonwealth-Treffen eingeladen worden zu sein.

So präsentierten sich die beiden als neues Führungsduo Europas. „Dies ist einer der wenigen Momente in der Geschichte, in denen Nationen gemeinsam Entscheidungen treffen müssen, die das Leben der Menschen verändern“, formulierte Brown. Und ebenso bescheiden meinte Sarkozy: „Wir haben immer gemeinsam den Wandel und die Veränderung angeführt.“ Auch der Lissabon-Vertrag, ihre neue Rechtsgrundlage, habe die EU Gordon Brown zu verdanken: “Ohne den Mut und die Führungskraft Gordon Browns hätten wir den Lissabon-Vertrag nicht.“ Brown schien von diesem Kompliment angenehm überrascht zu sein.

Nur drei Stunden später war der britische Union Jack aus „Saal 20.45“ hinausgetragen worden, stand Sarkozy vor der Trikolore allein am Rednerpult. Nun wurde der Präsident gefragt, wie es denn eigentlich um die deutsch-französische Beziehung stehe. „Die Achse Frankreich-Deutschland“, so dozierte er, sei von allergrößter Bedeutung. „Es erleichtert ganz Europa, wenn Deutschland und Frankreich mit einer Stimme sprechen.“

Und was Angela - gemeint war die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel - damals gemacht habe, um die EU aus ihrer Verfassungskrise herauszuholen, „das war entscheidend für die Annahme des Lissabon-Vertrages“. Die „Achse Paris-Berlin“ sei „eine notwendige Bedingung für die Einheit Europas, aber keine ausreichende“. Dann lächelte er noch einmal: „C'est l'Europe“ (“Das ist Europa“).