Genf. Das Schweizer Votum gegen den Bau von Minaretten hat weltweit einen Proteststurm entfacht. Besonders heftig war die Empörung in der Türkei. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kritisierte eine "zunehmende rassistische und faschistische Haltung in Europa". Islamophobie sei wie Antisemitismus ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte Erdogan vor der Parlamentsfraktion seiner AKP-Partei. Die Entscheidung zum Minarett-Verbot müsse korrigiert werden.

Auch Staatspräsident Abdullah Gül kritisierte den Ausgang des Referendums in der Schweiz, bei dem sich die Mehrheit der Wähler gegen den Neubau von Minaretten ausgesprochen hatte. Die Entscheidung sei eine "Schande" für die Schweizer und zeige, wie weit die Islam-Feindlichkeit in der westlichen Welt vorangeschritten sei. Das Außenministerium erklärte, die mehr als 100 000 in der Schweiz lebenden türkischen Staatsbürger seien wegen des Ausgangs des Referendums besorgt.

Auch die Uno-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay bezeichnete das Ergebnis des Referendums als "klar diskriminierend". Schuld sei eine "fremdenfeindliche Panikmache", das Verbot spalte die Gesellschaft. Die Behauptungen, wonach sich die Initiative nicht gegen den Islam oder Muslime gerichtet habe oder dass das Verbot die Integration fördere, seien unhaltbar, wenn nur eine Religion betroffen sei, sagte Pillay in Genf. Eine "auf Fremdenhass oder Intoleranz basierende Politik ist extrem beunruhigend, wo immer sie passiert".

Der schwedische Außenminister und amtierende EU-Ratspräsident Carl Bildt erwartet nach dem Verbot von Minarett-Neubauten in der Schweiz, dass Uno-Aktivitäten dort infrage gestellt werden könnten. Auf seinem Internet-Blog schrieb Bildt: "Es können innerhalb der Vereinten Nationen sehr wohl Fragen zu Treffen und anderen Aktivitäten ausgerechnet in der Schweiz gestellt werden." Bemerkenswert sei auch, dass die Schweiz gerade erst die Präsidentschaft in dem Ministerkomitee übernommen habe, das sich mit Menschenrechten befasse.

Die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey äußerte abermals ihre Betroffenheit über das Ja zur Minarett-Initiative. Das Votum könne die Sicherheit ihres Landes gefährden, sagte sie weiter.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis sagte dem Abendblatt, in weiten Bereichen denke die deutsche Bevölkerung über den Bau von Minaretten "sicher ganz ähnlich" wie in der Schweiz. "Es muss deshalb versucht werden, bei den Muslimen eine gewisse Einsicht herbeizuführen, dass der Bau solcher Minarette auf viele Menschen befremdlich wirken kann." Der Konflikt solle durch Dialog zum Ausgleich gebracht werden, sagte Geis. "Wo das zu keinem Ergebnis führt, sind die Kommunen dazu aufgefordert, baurechtliche Beschränkungen zu prüfen." Dagegen sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), das Votum lasse sich "nicht auf Bayern oder Deutschland übertragen". Allerdings müsse man die Sorgen in der Bevölkerung ernst nehmen.