Die Minarett-Debatte schlägt auch in Deutschland Wellen. CDU-Politiker Bosbach warnt: “Sorgen der Menschen nicht ignorieren.“

Hamburg. Wie Raketen schießen die schwarzen Minarette bedrohlich aus der Schweizer Fahne, flankiert von einer verschleierten Frau, deren Augen düster aus dem Sehschlitz blicken. In manchen Schweizer Städten reagierten die Verwaltungen so empört auf das Plakat des Initiativkomitees "Gegen den Bau von Minaretten", dass sie ein Aufhängen verboten, andere ließen es nur zu, um die Meinungsfreiheit nicht zu gefährden. Die Schweizer, so hieß es noch kurz vor der Volksabstimmung bei der Regierung in Bern, würden sich von so einer Initiative der rechtsgerichteten Schweizerischen Volkspartei (SVP) nicht beeinflussen lassen. Das würde die weltoffenen Eidgenossen eher abschrecken. Schwer geirrt. Das Votum für ein verfassungsrechtliches Bauverbot von Minaretten war mit 57,5 Prozent der Stimmen deutlich.

Und das, obwohl die Regierung in Bern sich mit der großen Mehrheit des Parlaments, den Kirchen und Wirtschaftsverbänden gegen den Vorstoß gewandt hatte. Die Marke "Schweiz", so der Appell, müsse weiter für Weltoffenheit, Pluralismus und Religionsfreiheit stehen und dürfe nicht mit Hass und Fremdenfeindlichkeit in Verbindung gebracht werden. Das klingt nach Schadensbegrenzung.

Die SVP hingegen frohlockte. Die Schweiz habe mit diesem klaren Ergebnis gezeigt, dass man keine Parallelgesellschaften wolle, sagte Parteipräsident Toni Brunner. Nun wolle man gegen Zwangsehen und Beschneidungen vorgehen und die Ganzkörperverschleierung von Frauen verbieten, sagte der Präsident der Initiative, Walter Wobmann.

Der Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestags, Wolfgang Bosbach (CDU), geht davon aus, dass die Debatte um Minarette auch Deutschland erreichen wird. "Ich kann nur dringend davor warnen, die Sorgen der Menschen zu ignorieren", sagte er dem Abendblatt.

Nach seiner Ansicht wäre es möglich, dass ein ähnlicher Volksentscheid in Deutschland das gleiche Ergebnis haben würde. "Aber ich halte ein ähnliches Volksbegehren weder für möglich noch für nötig", sagte der Innenexperte der Unions-Fraktion. "Unser Baurecht gibt genügend Möglichkeiten, einen vernünftigen Interessenausgleich zu finden." In den letzten Jahren seien in den allermeisten Fällen konfliktfrei Moscheen in Deutschland gebaut worden. "Aber es gibt spektakuläre Großbauvorhaben wie in Köln-Ehrenfeld oder Duisburg-Marxloh, gegen die es allein schon wegen der Dimension des Projektes viele Widerstände gibt. Sie werden als islamischer Herrschaftsanspruch kritisiert, der sich in der Architektur manifestiert", sagte Bosbach. Er hält es für "durchaus möglich, dass einige Großbauvorhaben geplant werden, um zu zeigen, wie stark der Islam in Deutschland inzwischen geworden ist". In der Schweiz schwelt der Streit um den Bau von Minaretten schon seit 2006. Es geht vor allem um drei geplante Bauten in Gemeinden der Kantone Solothurn, Bern und St. Gallen. Dabei ging es um Ergänzungen schon bestehender Moscheen. Bisher gibt es schon vier Minarette in der Schweiz. Dass Streitigkeiten über Neubauten in dem generellen Verbot endete, enttäuschte gestern Vertreter der Kirchen und der Muslime in der Schweiz gleichermaßen.