Nach wochenlanger Kritik an seiner Person geht der afghanische Präsident Hamid Karsai nun in die Offensive und kündigt Reformen an

Hamburg/Kabul. Wochenlang hat der afghanische Präsident Hamid Karsai unter enormem Druck gestanden - der Westen, der ihn einst inthronisierte und seine Regierung militärisch absichert, wurde nicht müde, ihn massiv zu kritisieren. Die wuchernde Korruption in Karsais Umfeld, der schleppende Aufbau des Landes und die am Boden liegende Wirtschaft, überdies die gefälschte Präsidentschaftswahl - der Paschtune gilt inzwischen als inkompetent und ist vom gehätschelten Star fast zum Paria im Westen geworden.

Anlässlich seiner Vereidigung für eine zweite Amtszeit ging Karsai nun in die Offensive. Er kündigte eine schrittweise Übernahme der Sicherheitsverantwortung seitens der afghanischen Armee für sein Land an. Teilweise schon in drei, komplett dann in fünf Jahren. Zudem werde er die Korruption entschieden bekämpfen und Führungsposten mit fähigen und professionellen Personen besetzen.

Augen- und Ohrenzeugen bei Karsais Versprechungen im Kabuler Präsidentenpalast waren US-Außenministerin Hillary Clinton, Pakistans Präsident Asif Ali Zardari, Bundesaußenminister Guido Westerwelle und 300 andere ausländische Staatsgäste.

Was Karsai nun erfüllen will, sind Forderungen, die westliche Politiker in letzter Zeit fast gebetsmühlenartig erhoben hatten. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen gratulierte Karsai zur zweiten Amtszeit, erinnerte ihn dann aber sofort daran, dass die internationale Truppe das Land wieder verlassen wollte. "Eine Übergangsphase hat begonnen. Die Afghanen werden zunehmend die Führungsrolle in ihren eigenen Aufgaben übernehmen", hieß es in einer Erklärung Rasmussens in Brüssel. Die afghanische Armee werde übernehmen - "Distrikt für Distrikt, Provinz für Provinz - wenn die Umstände es erlauben".

Karsai kündigte zudem die Einberufung einer Loja Dschirga für "Frieden und Sicherheit" an. Diese traditionelle Ratsversammlung örtlicher Führer, der "Große Kreis", könnte nach Ansicht von Beobachtern moderaten Taliban die Möglichkeit bieten, in die afghanische Politik zurückzukehren. Die Einbindung der gemäßigten Taliban gilt vielen Experten als einziges Mittel, das Land noch zu stabilisieren, nachdem die derzeit 100 000 internationalen Soldaten dies bislang nicht vermocht haben.

Der neue deutsche Außenminister sagte: "Wir werden Karsai beim Wort nehmen und setzen darauf, dass den richtigen Worten jetzt auch die richtigen Taten folgen." Westerwelle hatte vor seiner Blitzreise nach Kabul - die aus Sicherheitsgründen geheim gehalten worden war - die Erwartung geäußert, dass gute Regierungsführung und Korruptionsbekämpfung Kernelemente des afghanischen Regierungsprogramms darstellen werden.

In deutschen Diplomatenkreisen hieß es, der von Präsident Karsai umrissene Zeitrahmen für die Übernahme der Sicherheitsverantwortung decke sich mit den Erwartungen der Bundesregierung. "Wir wollen ja nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag bleiben", sagte Wellerwelle dazu, "auf ewig und drei Tage gewissermaßen." Bei seinem ersten Truppenbesuch bei der Bundeswehr in Afghanistan lobte Westerwelle die Soldaten in Masar-i-Scharif und sagte, er sei sehr stolz auf "unsere deutschen Landsleute, die hier arbeiten".

Der CSU-Sicherheitsexperte Hans-Peter Uhl sagte derweil, über eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr - dem die Bundesregierung am Vortag zugestimmt hatte - sei noch keineswegs "das letzte Wort gesprochen". Der "Osnabrücker Zeitung" sagte Uhl, eine Zustimmung der CSU im Bundestag erfordere "eine klare Strategie der Bundesregierung für den Abzug aus Afghanistan".