Major Hasan, ein strenggläubiger Muslim, fürchtete wohl, im Irak auf andere Muslime schießen zu müssen.

Hamburg/Fort Hood. Am frühen Nachmittag wollte Pam Stephenson, Ehefrau eines Militärjuristen in Fort Hood, dem mit 45 000 Soldaten größten Standort der USA, gerade das Haus verlassen, um einiges für ihre kranke fünfjährige Tochter Megan einzukaufen.

Plötzlich kreisten Hubschrauber über ihr, aus Lautsprechern plärrte die Warnung: "Gehen Sie in Deckung und bleiben Sie von den Fenstern weg, schließen Sie die Türen ab." Pam rannte mit Megan zurück ins Haus und schaltete den Fernseher an. Die dort laufenden Nachrichten waren für sie, vor allem aber für die Angehörigen der Soldaten von Ford Hood entsetzlich. Der 39-jährige Militärpsychiater Nidal Malik Hasan, ein Arzt, der aus dem Irak oder aus Afghanistan heimkehrende US-Soldaten mit Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) behandelt, ist plötzlich selber durchgedreht. Major Hasan, gekleidet in die nachthemdähnliche arabische Dischdascha, zieht zwei Pistolen und eröffnet im Untersuchungstrakt der Militärpsychologie das Feuer auf seine Patienten und andere Menschen. Im Kugelhagel sterben 13 Personen, zwölf von ihnen Soldaten. Rund 30 weitere werden verletzt. Sie können sich nicht einmal verteidigen, denn die Soldaten in Fort Hood tragen keine Waffen am Mann.

Polizisten strecken Hassan, der nach Angaben von Augenzeugen während des Amoklaufs "Allahu Akbar" - Gott ist groß" gerufen haben soll, schließlich mit vier Schüssen nieder; er wird in eine Klinik transportiert.

Ein Soldat verübt ein Massaker an den eigenen Kameraden - Amerika steht unter Schock.

Die 21-jährige Soldatin Keara Bono ruft ihre Mutter Peggy McCarthy an und versichert ihr, dass sie lebt. Keara hat eine Kugel in die linke Schulter bekommen. "Ich hätte niemals gedacht, dass meine Tochter auf amerikanischem Boden niedergeschossen werden könnte", sagt ihre Mutter. "Ich war viel mehr darüber besorgt, dass sie in den Irak geschickt werden sollte."

Kollegen von Major Hasan rätseln über seine Motive, aber möglicherweise war Angst vor einem Irak-Einsatz das auslösende Moment für den Amoklauf. Hasans Cousin Nadal sagte der "New York Times", vor einer Woche habe ihm der Major seine Furcht vor der noch im November anstehenden Verlegung in den Irak gestanden. Der Gedanke, dort gegen Glaubensbrüder kämpfen zu müssen, habe den strenggläubigen Muslim entsetzt und beschämt. Hasan ist in den USA geboren, aber jordanischer Abstammung.

Möglicherweise kommt ein psychologisches Element hinzu: Jahrelang hatte sich Hasan die grausigen Schilderungen traumatisierter Soldaten aus dem Irak und Afghanistan angehört. Es ist denkbar, dass der Psychiater sich selber nicht mehr gegen diese apokalyptischen Visionen abschirmen konnte und durchdrehte, als er seinen Marschbefehl in den Irak bekam. Die Behandlung von Soldaten, die schlimmste Erfahrungen aus dem Krieg verarbeiten müssen, sei auch für Psychiater eine extreme Belastung. Daher sei es besonders wichtig, dass sich der Arzt selbst von einem Experten beraten lässt und die Therapie mit ihm bespricht, sagte der Hamburger Psychiater Guntram Knecht dazu. "Der Arzt durchlebt immer auch einen Teil des Traumas des Patienten."

Zudem wollte Hasan die US-Armee ohnehin verlassen, wie ein anderer Cousin dem Sender Fox News erzählte. Er fühlte sich von Kollegen massiv gemobbt und hatte sich bereits einen Militäranwalt genommen. "Er wusste nicht mehr weiter", sagte Nader Hassan.

US-Ermittlern war Hasan in jüngster Zeit aufgefallen, weil sein Name im Zusammenhang mit Internet-Einträgen über Selbstmordanschläge auftauchte. Wie Gewährsleute mitteilten, sei bereits ein Durchsuchungsbefehl vorbereitet worden, um Hasans Computer sicherzustellen. Die psychische Belastung der US-Soldaten im Einsatz wird zu einem immer größeren Problem. In diesem Jahr sollen sich bereits 117 amerikanische Soldaten das Leben genommen haben, zehn davon allein in Fort Hood. Etwa jeder dritte Soldat, der im Kampfeinsatz war, leidet unter PTBS.