Die somalischen Piraten, die den Golf von Aden und große Teile des Indischen Ozeans zur Gefahrenzone für die internationale Schifffahrt gemacht haben, sehen sich angesichts der internationalen Marinestreitmacht in der Opferrolle.

Nairobi/Mogadischu. "Nato-Einsätze haben eine Menge negativer Folgen hier", klagte ein Pirat nun im britischen Rundfunksender BBC.

"Sie haben viel Ausrüstung zerstört, die den armen Fischern vor Ort gehören. Sie bringen Fischer illegal in ihre eigenen Gefängnisse und Gefängnisse anderer Länder." Der Seeräuber fühlte sich berechtigt, für die Freilassung eines britischen Seglerpaares fast fünf Millionen Euro zu fordern. "Wenn man also den Schaden und die betroffenen Leute bedenkt, ist die Summe nicht groß, denken wir", versicherte er.

Als Verteidiger armer Fischer, die von internationalen illegalen Flotten um ihre Existenz gebracht werden, stellen sich die Piraten selbst dar. Doch der Nimbus von den Robin Hoods auf hoher See erhielt schnell Kratzer. Die Millionen aus den Lösegelderpressungen für die Freilassung gekaperter Schiffe gehen nicht etwa in den Bau von Schulen, Krankenhäusern oder Lebensmitteln, sondern werden in den Bau von Häusern oder den Kauf teurer Geländewagen, Waffen oder Schnellboote investiert.

Immobilienmakler im benachbarten Kenia berichten von somalischen "Geschäftsleuten", die in Mombasa und in anderen Küstenorten Grundstücke und Villen erwerben. "Sie feilschen nicht einmal, und sie zahlen bar", freut sich ein Makler, der ungenannt bleiben will, über zahlungskräftige Kundschaft, die offenbar keine Rezession kennt.

Noch vor wenigen Monaten genossen die Piraten in ihren Heimatdörfern durchaus Bewunderung und Respekt, galten als wagemutige Geschäftsleute, die ihr Schicksal erfolgreich in die Hand nahmen. Doch Stammesälteste und religiöse Führer sehen mittlerweile das traditionelle Wertesystem in Gefahr. Seit immer mehr Piraten das süße Leben entdecken und Alkohol, Drogen und Prostitution Einzug gehalten haben in das halbautonome Puntland, werden die neureichen Seeräuber mit zunehmendem Argwohn betrachtet. Unter der tief religiösen Bevölkerung ist es zwar üblich, Khat-Blätter zu kauen, aber Alkohol ist tabu.

Als die puntländische Regierung im Frühsommer mithilfe von geistlichen Führern die Piraterie als unislamisch geißelte, blieben die Mahnungen nicht ohne Widerhall. Rund 200 ehemalige Piraten schlossen sich einem Rehabilitierungsprogramm an. Das erhöhte "Berufsrisiko" angesichts der bei Militäreinsätzen getöteten oder festgenommenen Piraten dürfte zu dem Sinneswandel beigetragen haben.

Denn nicht nur die Nato patrouilliert mit Kriegsschiffen im Golf von Aden. Die EU unterstützt mit der Mission Atalanta Schiffe des Welternährungsprogramms WFP und sichert den internationalen Schifffahrtskorridor im Golf von Aden. Chinesische, koreanische oder japanische Kriegsschiffe begleiten Schiffskonvois, russische und indische Marineeinheiten sind ebenfalls an der internationalen Zusammenarbeit gegen die Seeräuber beteiligt.