Obamas Vize soll nach dem Stopp für den Raketenschild Verstimmungen mit den neuen Verbündeten beseitigen.

Warschau. Der amerikanische Vizepräsident Joe Biden hat gestern in Warschau ein neues Raketenabwehrsystem angekündigt, an dem Polen sich beteiligen werde. Zugleich versuchte er, Verstimmungen zwischen Washington und den neuen Nato-Ländern zu bereinigen. Die Differenzen waren aufgekommen, nachdem Präsident Barack Obama den Plänen seines Vorgängers George W. Bush für einen Raketenschild in Polen und Tschechien vor einem Monat eine Absage erteilt hatte. Dies hatte in Warschau, Prag und Bukarest - Bidens Reiseziele - den Eindruck erweckt, Obama opfere die Sicherheitsbelange Ostmitteleuropas der neuen Zusammenarbeit mit Russland.

Zugleich wurde deutlich, dass Warschau für die von der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnte Bereitschaft, sich an einer globalen Raketenabwehr zu beteiligen, bald die lange erwartete Gegenleistung bekommen kann. Diese wird darin bestehen, dass die Amerikaner erstmals eine Batterie "Patriot"-Abwehrraketen mit einem Trupp Soldaten nach Polen entsenden. Zwar äußerte sich Biden dazu nicht öffentlich. Doch kurz zuvor war mit Alexander Vershbow ein hoher Vertreter des Pentagons in Warschau. Vershbow sagte der Zeitung "Rzeczpospolita", Washington wolle, dass der erste Aufenthalt der Batterie "in der ersten Hälfte des nächsten Jahres beginnt".

Um die internationale Wirkung dieser Stationierung gering zu halten, ist geplant, die Batterie nur "im Quartalsrhythmus" nach Polen zu verlegen, sie möglicherweise aus Deutschland, wo die US-Truppen über solche Waffen verfügen, quartalsweise "auszuleihen". Vershbow beeilte sich hinzuzufügen, "dass die ganze Mission Schulungscharakter hat", vergaß jedoch nicht den kommerziellen Aspekt, dass nämlich Polen sich eines Tages "für den Kauf von 'Patriots' entscheiden" könne. Vor der Entsendung der Batterie sei es aber nötig, die Verhandlungen über den Status von US-Truppen in Polen abzuschließen - "sie dauern etwas länger, als wir erwartet haben". Polnischen Fachleuten zufolge verzögern sich die Verhandlungen über ein solches SOFA (Status of Forces-)-Stationierungsabkommen vor allem wegen der Frage, ob US-Soldaten der polnischen Gerichtsbarkeit unterworfen wären. Auch wenn die Amerikaner alles tun, um die Truppenverlegung nicht als solche erscheinen zu lassen, kann die Ankündigung als Erfolg für Polen gelten. Außenminister Radoslaw Sikorski sagte, die für die Abwehr von Kurz- und Mittelstreckenraketen sowie Flugzeugen geeignete Batterie werde in Wesola stehen, einem Stadtteil von Warschau. Damit wären, wenn auch überwiegend symbolisch, erstmals US-Truppen in einem der seit 1999 beigetretenen Nato-Länder stationiert.

Eine Zusage des Westens an Moskau, solches zu unterlassen, auf die sich russische Politiker gern berufen, habe es nie gegeben, sagt Sikorski.

Was den geplanten globalen Raketenschild anbelangt, so wurde deutlich, dass er die ferne Zukunft betrifft und dass Polen und seine Nachbarn nur einige von mehreren Stationierungsorten sein werden.

Biden sagte, er freue sich, dass Polen bereit sei, Elemente des vorgeschlagenen Verteidigungssystems zu stationieren. Polens Premier Donald Tusk fügte hinzu, es gehe um Abwehrraketen vom Typ SM-3: "Ein guter Plan für die Welt." Überhaupt seien Bidens und seine Auffassungen von der Lage in der Region und in der Welt "identisch". Biden lobte Polens "tapferen" Einsatz in Afghanistan und versicherte, das Engagement der USA für Polens Sicherheit sei "unverrückbar". Der Nato-Beistandsartikel 5 "gilt absolut, Herr Premierminister".

Die Frage hat eine bewegte Vorgeschichte. Als der US-Gesandte in Warschau 2006 Polen die Bedingungen für den Raketenschild vorzuschreiben versuchte, notierte Sikorski, damals Verteidigungsminister, am Rande des Dokuments, der Diplomat habe sich "traditionell unverschämt" verhalten. Die Notiz gelangte an die Öffentlichkeit und sorgte für Ärger. Erst 2008, unter dem Eindruck des russischen Einmarschs in Georgien, unterzeichneten die beiden Regierungen ein Abkommen.