Der Plutoniumbestand in der stillgelegten Fabrik war auf acht Kilo geschätzt worden. Gefunden wurden aber bis zu 39 Kilo - genug für fünf Atombomben.

Marseille. Beim Abbau einer südfranzösischen Atomanlage ist kiloweise hochgefährliches Plutonium entdeckt worden, das nirgendwo verzeichnet war. Die Atomaufsicht ASN sprach von einem „Störfall“ und verbot weitere Arbeiten an der Anlage in Cadarache. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace nannte den Vorfall „unglaublich“ und wies darauf hin, dass die gefundene Menge Plutonium für den Bau von fünf Atombomben ausreiche.

Als die seit sechs Jahren stillgelegte Fabrik des staatlichen Atomenergiekommissariats (CEA) noch in Betrieb gewesen sei, sei der Plutoniumbestand auf „etwa acht Kilogramm“ geschätzt worden, erklärte die Aufsichtsbehörde. Tatsächlich seien bei den seit März laufenden Abbauarbeiten aber zwischen 22 und 39 Kilogramm gefunden worden. Dadurch, dass das Atomenergiekommissariat die Menge unterschätzt habe, sei der „Sicherheitsspielraum“ zur Vermeidung eines „kritischen Unfalls“ erheblich eingeschränkt worden, kritisierte die ASN.

„Nicht hinnehmbar“ sei auch, dass das Problem seit Juni bekannt gewesen sei, das CEA die Atomaufsicht aber erst vor einer Woche informiert habe, erklärte die ASN-Zweigstelle im südfranzösischen Marseille. Das Atomenergiekommissariat sagte der Nachrichtenagentur AFP auf Anfrage, es habe sich erst „einen umfassenden Überblick“ über den Plutoniumbestand verschaffen wollen, bevor es die Aufsichtsstelle informiert habe. CEA-Sprecher Henri Maubert sagte, es habe „keine Gefahr“ durch das Plutoniumpulver bestanden. Es sei nicht als Masse, sondern in 450 verschiedenen Behältern aufbewahrt worden.

Frankreichs Umweltminister Jean-Louis Borloo bedauerte den Verzug und forderte „absolute Transparenz“ bei der Atomsicherheit. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace erklärte, einen solch „schweren und gefährlichen“ Störfall habe es schon lange nicht mehr gegeben. Plutonium müsse eigentlich in Gramm gemessen werden; es sei „unglaublich“, dass die zuständigen Stellen nicht einmal in der Lage seien, die Menge auf zehn Kilogramm genau anzugeben. „Wie ist es denn möglich, dass man in einem alten, seit sechs Jahren stillgelegten Betrieb noch Material findet, aus dem man fünf Atombomben bauen könnte?“, fragte die Organisation. Das Atomenergiekommissariat und der französische Atomkonzern Areva seien offenbar „unfähig“, mit hochgefährlichem Plutonium umzugehen.

In der 1964 in Betrieb genommenen Anlage in der Nähe von Marseille waren für den Einsatz in Atomreaktoren MOX-Brennstäbe hergestellt worden, für die bei der Wiederaufarbeitung gewonnenes Plutonium eingesetzt wird.