Jean Sarkozy soll in die Fußstapfen seines Vaters treten. Die Opposition beklagt “Nepotismus wie im alten Rom“.

Paris. Ein 23 Jahre alter Jurastudent soll eine Immobilienverwaltungsgesellschaft leiten, die eine Milliarde Euro umsetzt und für die künftige Entwicklung des Großraums Paris von entscheidender Bedeutung ist. Diese Nachricht allein ist schon erstaunlich. Da es sich bei dem 23-Jährigen um den Sohn von Nicolas Sarkozy handelt, wird aus einem Kuriosum allerdings ein Politikum.

In Frankreich ist die Aufregung groß, von "Nepotismus" und "Clan-Wirtschaft" ist die Rede. Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten, Ségolène Royal, fragt sich, ob sie "noch in einer Republik" lebt, und der Vorsitzende der bürgerlichen Zentrumspartei "MoDem", Francois Bayrou, wähnt sich "im römischen Imperium". Sogar das chinesische Fernsehen berichtet.

Stein des Anstoßes: Am 4. Dezember will sich Jean Sarkozy zum Präsidenten der Öffentlichen Einrichtung zur Verwaltung des Finanzviertels La Défense wählen lassen. Das EPAD (Etablissement public d'aménagement de la Défense) ist eine Behörde, die mit der Entwicklung und Vermarktung von Büroflächen im Nordwesten von Paris beschäftigt ist. Dort befindet sich das Wirtschafts- und Finanzzentrum Frankreichs, mehr als 2000 Unternehmen unterhalten hier eine Niederlassung. 2008 erwirtschaftete das EPAD bei einem Umsatz von einer Milliarde Euro einen Überschuss von 350 Millionen Euro. Die Gesellschaft ist zudem ein entscheidender Akteur bei der Entwicklung der Metropolenregion "Grand Paris". Mit dem Präsidentensessel der EPAD würde Jean Sarkozy einen Posten übernehmen, den schon sein Vater zwischen 2004 und 2007 innehatte, als er noch Präsident des Generalrats des Départements Hauts-de-Seine war. Es sieht ganz danach aus, als solle der Sohn des Präsidenten nun Schritt für Schritt die alte Machtbastion seines Vaters übernehmen. Im vergangenen Juni hatte Sarkozy junior im Alter von 21 Jahren bereits die Präsidentschaft der UMP-Fraktion im Generalrat übernommen. Erstmals politisch in Erscheinung getreten war er wenige Monate zuvor bei den Bürgermeisterwahlen in seinem Heimatort Neuilly, der reichsten Gemeinde Frankreichs. Jean Sarkozy hatte zunächst die Kandidatur des Sprechers des Élysée-Palastes David Martinon unterstützt, dem sein Vater zum Bürgermeisteramt in Neuilly verhelfen wollte. Als dessen Umfragewerte jedoch eine Niederlage wahrscheinlich werden ließen, entzog Jean Sarkozy ihm seine Unterstützung wieder. Martinon trat zurück, Sarkozy junior wurde mit dem Coup schlagartig zum neuen Hoffnungsträger der UMP in Neuilly. Im März 2008 wurde er in den Generalrat von Neuilly-Sud gewählt. Der Posten an der Spitze der EPAD wird nun frei, weil der bisherige Präsident Patrick Devedjian die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht hat. Devedjian ist ein Parteifreund Sarkozys und derzeit amtierender Präsident des Generalrats von Hauts-de-Seine - sitzt also noch auf einem weiteren Stuhl, auf den der junge Sarkozy ebenfalls bereits ein Auge geworfen hat.

Jean Sarkozy ist ein gut aussehender blonder Jüngling mit Surfer-Mähne. Eine für sein Alter fortgeschrittene sittliche Reife ist ihm nicht abzusprechen. Zudem ist er bereits marktgerecht verheiratet - mit der Erbin der Elektronikmarkt-Kette Darty - und soll in Kürze zum ersten Mal Vater werden.

Dennoch hat die Ankündigung seines nächsten Karriereschrittes Empörung ausgelöst. Lediglich der ehemalige sozialistische Premierminister Laurent Fabius verpackte seine Kritik in ätzende Ironie: "Ich möchte Jean Sarkozy verteidigen", sagte Fabius in einer Radiosendung: "Um das größte Geschäftsviertel Europas zu verwalten, braucht man einen guten Juristen. Und Jean Sarkozy ist immerhin im dritten Semester. Das spricht deutlich für ihn." Der junge Mann kenne sich mit "Affären" ja bereits gut aus. Und im Übrigen habe der Staatssekretär Martin Hirsch gerade einen Plan zur Förderung der Jugend vorgestellt.

Ségolène Royal wurde in Anbetracht der Blitzkarriere des Präsidentensohns gleich ein wenig staatsphilosophisch: "Was ist die Republik?", fragte die sozialistische Politikerin und antwortete selbst: "Es ist die Anerkennung des Ranges eines jeden Einzelnen auf Grundlage seiner Verdienste, nicht aufgrund seines Namens."

Eine Online-Petition gegen die Kandidatur von Jean Sarkozy hatten gestern bereits 8000 Leute unterzeichnet. Unter den wenigen, die seine Kandidatur verteidigten war der UMP-Generalsekretär Xavier Bertrand. Man könne ihn schlecht ins Exil schicken, nur weil er Sarkozy heiße. Sein Aufstieg beruhe bislang einzig und allein auf demokratischen Wahlergebnissen. Doch auch innerhalb der UMP stößt der Aufstieg des Präsidentensohns auf Skepsis. Nach der "Mitterrand-Affäre", so fürchten viele Mitglieder der Regierungspartei, könnte die zügige Karriereförderung Jean Sarkozys ein weiterer Punkt sein, der die UMP bei den Regionalwahlen im Frühjahr Stimmen bei der konservativen Basis kostet.