Papst Benedikt XVI. hat gestern zum Höhepunkt seines Tschechien-Besuchs in Brno (Brünn) eine Messe vor etwa 120 000 Menschen gefeiert. Die Zahl der Gottesdienstbesucher, unter ihnen auch viele Deutsche und Österreicher, blieb allerdings hinter den Erwartungen der katholischen Kirche zurück, die auf 200 000 Gläubige gehofft hatte.

Brünn. "Der Mensch muss von materiellen Zwängen befreit werden, aber mehr noch muss er von den Übeln gerettet werden, die den Geist befallen", sagte der Papst auf einem Ackergelände nahe dem Flugplatz von Brno. Technischer Fortschritt sei nicht genug, um die "moralische Wohlfahrt einer Gesellschaft zu garantieren". Benedikt sprach auf Italienisch zu den Besuchern, seine Worte wurden ins Tschechische übersetzt. Mit seinem Besuch will der Papst an den Sturz der kommunistischen Herrschaft vor 20 Jahren erinnern und die Tschechen ermahnen, sich trotz jahrzehntelanger atheistischer Regierung auf die christlichen Wurzeln des Landes zurückzubesinnen. Er rief sie beim Segen dazu auf, ihr "reiches Erbe an Glauben" nicht zu vergessen.

Anders als bei früheren Auslandsreisen fiel der Empfang für das Kirchenoberhaupt in Tschechien verhalten aus. Es gab keine jubelnden Massen oder große Willkommens-Plakate. Zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kommunismus gilt Tschechien als eines der glaubensfernsten Länder Europas. In einer Umfrage bezeichneten sich 48 Prozent der Befragten als Atheisten, 24 Prozent glaubten an Gott, weitere 24 Prozent bezeichneten sich als unschlüssig. Nur rund drei Millionen der 10,5 Millionen Tschechen sind katholisch.

Am Sonnabend hatte Tschechiens Präsident Vaclav Klaus, der fließend Deutsch spricht, Benedikt XVI. auf Englisch begrüßt. Anschließend wurde Benedikt auf der Prager Burg empfangen. Dort erinnerte er in einer Rede in englischer Sprache an das Ende des Eisernen Vorhangs vor 20 Jahren. Die dabei gewonnene Freiheit müsse genutzt werden, sagte er. "Dennoch darf man den Preis von 40 Jahren politischer Unterdrückung nicht unterschätzen", sagte das katholische Kirchenoberhaupt mit Blick auf die kommunistische Herrschaft in Osteuropa. "Eine besondere Tragödie war für dieses Land der rücksichtslose Versuch der damaligen Regierung, die Stimme der Kirche zum Verstummen zu bringen."

Im Hintergrund des Besuchs ging es auch um die Rückgabe kirchlichen Bodens und Eigentums, die unter den Kommunisten verstaatlicht worden waren. Der tschechische Premierminister Jan Fischer sagte nach einem Treffen mit dem vatikanischen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, die Rückgabe des Eigentums werde wegen der Wirtschaftskrise vorerst nicht verhandelt.

Zum Abschluss seines Besuchs reist Benedikt XVI. morgen in die Pilgerstadt Stara Boleslav (Altbunzlau). Dort feiert er den Festgottesdienst zum Gedenken an den Nationalheiligen Wenzel von Böhmen.