Silvio Berlusconi, Italiens in allen Farben schillernder Regierungschef, probt den politischen Spagat. Nach dem Selbstmordanschlag von Kabul, bei dem am Donnerstag sechs italienische Soldaten und zehn afghanische Zivilisten ums Leben gekommen waren, versucht der “Cavaliere“, es dem eigenen Volk und den Verbündeten in der Nato zugleich recht zu machen.

Hamburg/Rom. Berlusconi sprach sich für einen raschen Abzug der rund 2800 italienischen Soldaten vom Hindukusch aus, nannte aber kein Datum. Ähnlich wie die Deutschen sind auch die Italiener mit klarer Mehrheit gegen den Einsatz in Afghanistan. 21 italienische Soldaten sind bislang dort ums Leben gekommen. Währenddessen fordern vor allem die USA von den Europäern noch größere Anstrengungen.

"Dies ist ein schmerzhafter Tag, der uns leider die schwierige Situation in diesem Land vor Augen führt", sagte Berlusconi. Italienische Soldaten hätten "viele menschliche Opfer gebracht, um Demokratie aufzubauen". Italien könne jedoch "nicht allein über einen Rückzugstermin entscheiden", meinte der Regierungschef. Es werde eine "Übergangsstrategie" geben. Die baldige Heimkehr von 500 Soldaten sei bereits vorgesehen. Verteidigungsminister Ignazio La Russa und Außenminister Franco Frattini betonten derweil, der Einsatz werde weitergehen. Beobachter sehen darin einen Versuch der Regierung in Rom, es gleichzeitig den Wählen wie auch den Amerikanern recht machen zu wollen.

Berlusconis Koalitionspartner Umberto Bossi von der rechten Lega Nord machte das Taktikspiel jedoch nicht mit. Er verlangte, "dass unsere Jungs alle bis Weihnachten wieder zu Hause sind". Bossi sagte: "Die Mission in Afghanistan ist ausgelaugt und der Versuch gescheitert, Demokratie dorthin zu bringen."

Indessen berichtete die "Financial Times Deutschland" unter Berufung auf Nato-Kreise, die Anforderung des deutschen Oberst Georg Klein für einen US-Luftangriff auf zwei von den Taliban gekaperte Tanklaster sei aufgrund von "Falschinformationen" erfolgt. Klein habe wahrheitswidrig direkten "Feindkontakt" der Bundeswehr mit den Taliban gemeldet. Nur deshalb habe er entsprechend der Nato-Regeln ohne vorherige Rücksprache mit dem Isaf-Hauptquartier einen Luftschlag anordnen können. Bei dem Bombardement waren nach afghanischen Angaben 99 Menschen ums Leben gekommen, darunter 30 Zivilisten.