Der deutsche Oberst Georg Klein, der das Bombardement anforderte, äußert sich erstmals öffentlich. Er habe sich solche Entscheidungen “niemals leicht gemacht“, sagt er - und begrüßt die eingeleiteten Überprüfungen.

Hamburg/Berlin. Bei dem amerikanischen Luftangriff auf zwei von den Taliban gekaperte Tanklastwagen sind in der Nacht zum 4. September 99 Menschen ums Leben gekommen - darunter 30 Zivilisten. Diese Zahlen hat die vom afghanischen Präsidenten Hamid Karsai beauftragte Untersuchungskommission in Kundus veröffentlicht. Der Angriff war vom deutschen Oberst George Klein angefordert worden.

Zudem seien neun Zivilisten und elf Taliban verwundet worden, hieß es in Kabul.

Kommissionsmitglied Mohammadullah Baktasch nahm aber ausdrücklich die Bundeswehr in Schutz: "Definitiv sind die Taliban die Verantwortlichen." Sie hätten mit dem Treibstoff Terrorakte verüben können. "Nicht nur die deutschen Truppen, sondern alle Regierungs- und internationalen Truppen hätten in einer vergleichbaren Lage so gehandelt", sagte Baktasch. Zudem hätte man die Zivilisten aus der Luft nicht erkennen können. Auch sei der Schauplatz des Bombardements kein Wohngebiet - die nächsten Häuser seien mindestens drei Kilometer entfernt.

Nach einem tagelangen Sturm aus Anwürfen und Verteidigungsreden aus dem In- und Ausland zu dem Angriff hat sich Georg Klein nun selber zu Wort gemeldet. Leicht wird es ihm nicht gefallen sein, denn der 48-Jährige, der dem Vernehmen nach von seinen Soldaten sehr respektiert wird, gilt eher als zurückhaltend.

Er habe in den vergangenen fünf Monten eine große Verantwortung getragen, die ihm schwierige Entscheidungen abverlangt habe, sagte Klein, der 1980 in die Bundeswehr eingetreten war und 1993 die Generalstabsausbildung an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg absolviert hatte.

Und er habe sich "jede Einzelne dieser Entscheidungen - auch bei angeforderten Luftunterstützungen - niemals leicht gemacht, um dies auch im Nachhinein vor meinen Soldaten und Soldatinnen, den afghanischen Menschen und meinem Gewissen verantworten zu können", sagte Klein gegenüber der "Bild am Sonntag". Die gegen ihn eingeleitete Untersuchung sei "angemessen". Es sei "unbedingt notwendig und richtig, dass solche Untersuchungen durchgeführt werden, wenn Menschen ums Leben gekommen sind", sagte der Oberst der "BamS" und fügte hinzu: "Jeder gefallene Isaf-Soldat und jeder getötete Zivilist ist einer zu viel." Klein soll noch im September nach Deutschland zurückkehren. Unter anderen hatte der amerikanische Oberkommandierende in Afghanistan, General Stanley McChrystal, Klein heftig für dessen Entschluss kritisiert, die US-Luftwaffe anzufordern. Dazu sagte der frühere Inspekteur des Heeres, Helmut Willmann, in der "Mitteldeutschen Zeitung", das Verhalten McChrystals gegenüber Klein sei "unanständig".

Die "BamS" zitierte dazu Abdul Wahid Omarkhel, den Distrikt-Chef der afghanischen Region Chardara, wo das Bombardement am Kundus-Fluss stattgefunden hatte, mit den Worten: "Der Luftangriff war eine erfolgreiche Operation, weil Aufständische getötet wurden, die eine Gefahr darstellten. Die internationale Empörung darüber ist vollkommen unverständlich". Omarkhel sagte, dass es in Deutschland nun Forderungen nach einem Abzug gebe, mache ihm Sorgen.

Indessen berichtete der "Spiegel" über ein Strategiepapier des Auswärtigen Amts für einen möglichen Abzug der Bundeswehr innerhalb der nächsten vier Jahre. Der Zehn-Punkte-Plan des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier für einen Abzug bis 2013 sieht unter anderem eine verstärkte Ausbildung der afghanischen Polizei und eine angemessen ausgebildete Polizei in allen 122 Distrikten im Verantwortungsbereich der Bundeswehr im Norden Afghanistans vor. Ferner soll der Standort Faisabad, wo derzeit 500 Bundeswehr-Soldaten Dienst tun, aufgelöst und zu einem Ausbildungszentrum für Sicherheitskräfte und Zivilbeamte umgestaltet werden.