Im Streit um eine Basis der Schwarzmeerflotte kristallisiert sich der Gegensatz zwischen Russland und der Ukraine.

Hamburg. Noch immer schwelt der Konflikt zwischen Russland und Georgien, der vor Jahresfrist zu einem heißen Krieg eskaliert war, da verschärft sich eine neue Krise zwischen früheren sowjetischen Bruderländern. Schon der Gas-Streit zu Beginn dieses Jahres hatte einen Hinweis darauf gegeben, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen Moskau und Kiew inzwischen ist. Doch in jüngster Zeit haben sich die Spannungen erheblich verschärft.

Am vergangenen Montag feierten die Ukrainer ihren Unabhängigkeitstag - und die russische Justiz nutzte die Gelegenheit zu schweren Attacken Richtung Kiew: Ukrainische Soldaten und nationalistische Milizen hätten im vergangenen August aufseiten der Georgier gegen die russische Armee gekämpft, lautete der Vorwurf. Die ukrainische Regierung bestritt dies heftig. Moskau trumpfte zudem mit der ganz aktuellen Anschuldigung auf, ukrainische Gerichtsvollzieher hätten versucht, Geräte eines Leuchtturmes abzumontieren, die der russischen Flotte in Sewastopol als Navigationshilfe dienen. Die Gerichtsvollzieher seien der ukrainischen Polizei übergeben worden. Das russische Fernsehen sendete Bilder von russischen Soldaten mit Sturmgewehren, die den Leuchtturm bewachten.

Sewastopol untersteht laut Pachtvertrag noch bis 2017 der russischen Schwarzmeerflotte, aber die Ukraine beansprucht neuerdings die Hoheit über Militär-Einrichtungen, die außerhalb des russischen Flottenstützpunktes liegen - wie besagter Leuchtturm. Die Ukraine will diese Navigationseinrichtung ganz abbauen.

Im vergangenen Monat hatte die ukrainische Polizei für kurze Zeit russisches Militärpersonal festgesetzt und dann zurückgeschickt, das mit drei Raketen-Transportern den Stützpunkt verlassen wollte. Es habe an den nötigen Transportpapieren gefehlt, lautete die Begründung. Die "New York Times" (NYT) verwies jedoch auf Äußerungen von Lokalpolitikern, dies sei eher ein Signal gewesen, dass dieses Gebiet für die Russen nicht länger "freundliches Terrain" sei.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew warf Kiew "anti-russische Politik" vor - namentlich bezüglich der Störungen der russischen Flotte auf der Krim. Er will zunächst keinen Botschafter nach Kiew schicken. Die Ukrainer verwiesen indessen den Diplomaten Wladimir Lysenko, der an der russischen Botschaft in Kiew für die Schwarzmeerflotte zuständig war, des Landes und verwehrten Mitarbeitern des russischen Geheimdienstes FSB die Arbeit in Sewastopol.

"Die Ukraine fordert jetzt mehr - und sie hat jedes Recht dazu", sagte der von der Regierung in Kiew ernannte Bürgermeister von Sewastopol, Sergei V. Kunitsyn. "Die Leute machen sich allmählich klar, dass Sewastopol der Ukraine gehört und dass die Ukraine Sewastopol hilft", fügte Kunitsyn hinzu.

Dagegen sagte Sergeij P. Tsekow, der die Vereinigung der ethnischen Russen auf der Krim führt, er hoffe, dass Moskau die Abspaltung der Krim von der Ukraine genauso unterstütze wie die Südossetiens und Abchasiens von Georgien. Mit anderen Worten: notfalls mit einem Krieg. Kiew provoziere das Volk der Krim, meinte Tsekow gegenüber der "NYT". "Sie glauben, dass wir unsere Wurzeln, unsere Sprache und unsere Geschichte und unsere Helden vergessen. Nur dumme Leute würden annehmen, dass wir das tun. Unglücklicherweise wird die Ukraine zurzeit von dummen Leuten regiert."

Die Russen auf der Krim berufen sich vor allem auf die Historie. Fürst Potemkin eroberte 1783 die Halbinsel, weite Teile des heutigen Südrussland und der Ukraine nach langwierigen Kriegen mit Türken und Tataren im Auftrag der Zarin Katharina. Die Krim sollte "von nun an und für alle Zeiten" russisch sein. Das war sie auch, über Krim-Krieg, Revolution, Bürgerkrieg und Weltkrieg hinweg bis 1954, als der Ukrainer Nikita Chruschtschow Chef im Kreml war und die Halbinsel kurzerhand seiner Heimatrepublik überschrieb. Das störte kaum unter dem gemeinsamen Dach der Sowjetunion. Nach der Unabhängigkeit der Ukraine wollen die Strategen im Kreml aber auf gar keinen Fall auf den wichtigen Hafen Sewastopol verzichten. Zudem strebt die Ukraine sowohl einen Nato-Beitritt als auch die Mitgliedschaft in der EU an, um der russischen Machtsphäre endlich zu entkommen.

Moskau wiederum sieht darin einen Angriff auf seine Interessen und würde kaum zögern, im Namen der 7,9 Millionen Angehörigen der russischen Minderheit in der Ukraine aktiv zu werden. Es sind alle Voraussetzungen gegeben, die Gegensätze zwischen Moskau und Kiew eskalieren zu lassen.