Clotilde Reiss (24) werden Spionage und Unterstützung der Proteste nach der Wahl vorgeworfen.

Berlin. "Ich hätte nicht an den Demonstrationen teilnehmen sollen. Das war ein Fehler." Blass, das dunkle Haar unter einem gemusterten Kopftuch versteckt, machte die Französin Clotilde Reiss vor einem Teheraner Gericht diese Aussage. Ja, sie habe einen Bericht über die iranische Atompolitik für das französische Institut Ifri verfasst, das seit 1897 in dem Land arbeitet. Eine Seite sei dieser lang gewesen, so Reiss nach Angaben der Zeitung "Le Monde" weiter.

Was in westlichen Augen als unerhebliche Aktivität einer jungen Frau gelten mag, könnte die 24-jährige Lektorin mit dem Leben bezahlen. Ihr droht die Todesstrafe. Seit dem Wochenende steht sie mit 100 anderen Angeklagten vor den iranischen Richtern. Reiss ist der Spionage angeklagt. Sie könnte dafür auch eine hohe Gefängnisstrafe bekommen.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Behörden die junge Frau für ihre Aussage unter Druck gesetzt haben. Auch ein iranischstämmiger Angestellter der britischen Botschaft, dem nach Angaben des "Guardian" die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben war, sagte aus, ein Agentennetz von 50 Leuten aufgebaut und den Aufstand gegen das Regime unterstützt zu haben.

Die Schauprozesse gegen die Opposition, die noch immer gegen die ihrer Meinung nach gefälschten Wahlen vom 12. Juni aufbegehrt, rufen Empörung hervor. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bezeichnete die Vorwürfe gegen Reiss als "in höchstem Maße erfunden" und forderte die Freilassung der Politikwissenschaftlerin. Die amtierende EU-Ratspräsidentschaft verschärfte den Ton gegenüber Teheran. Die dortige Führung müsse begreifen, dass sie mit den Anklagen gegen zwei Mitarbeiter der britischen und französischen Botschaft sowie eine Französin "die gesamte EU herausfordert", so der schwedische Außenminister Carl Bildt.

Der britische Außenminister David Miliband sagte, das Vorgehen gegen die Französin und die beiden Botschaftsmitarbeiter bringe die iranische Regierung "weiter in Verruf". Er sei "zutiefst beunruhigt über die ungerechtfertigten Vorwürfe". Großbritannien stehe sowohl mit Frankreichs Regierung als auch mit der EU-Ratspräsidentschaft in Kontakt. Der britische Botschafter verlangte nach Angaben des Außenministeriums in einem Gespräch mit dem iranischen Vize-Außenminister eine Klarstellung.

Reiss war am 1. Juli auf dem Flughafen Teheran festgenommen worden. Zuvor hatte sie fünf Monate lang als Lektorin an der Technischen Universität Isfahan gearbeitet. Sie spricht fließend Persisch und interessierte sich schon als Kind für die Region, weil sie eine iranische Kinderfrau hatte. "Clotilde ist überhaupt nicht militant oder politisch engagiert", sagte ihr Vater Rémi Reiss. Doch dass seine Tochter Solidarität zeigte und bei Demonstrationen mit ihrem Handy Fotos machte, um sie anschließend einem ausländischen Korrespondenten zu schicken, reicht Irans Justiz für eine Anklage.

Die Stimmung im Land verschärft sich. Ein hochrangiger iranischer Militärkommandeur erklärte, die Auslandspresse müsse stärker kontrolliert werden, um eine erneute Protestwelle zu unterbinden. Vertreter der Revolutionsgarden erklärten, Ex-Präsident Mohammed Chatami und die unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karubi müssten wegen ihrer Rolle bei den Protesten "verurteilt und bestraft" werden.

Unterdessen ist der Direktor des Kahrisak-Gefängnisses in Süd-Teheran verhaftet worden. Dort sind angeblich einige der bei den Demonstrationen Festgenommenen zu Tode gekommen.