Der Ex-Präsident soll dem kranken Diktator Kim Jong-il eine Botschaft von Barack Obama überbracht haben.

Peking/Washington. Der Überraschungs-Coup war seit Wochen eingefädelt, strengste Geheimhaltung war angesagt - und er endete mit einem Erfolg. Ex-Präsident Bill Clinton konnte bei seinem Besuch in Nordkorea tatsächlich die beiden seit März inhaftierten und wegen angeblichen "illegalen Grenzübertritts" und "illegaler Handlungen" zu zwölf Jahren Lagerhaft verurteilten US-Journalistinnen Laura Ling und Euna Lee freibekommen. Beide arbeiten für den US-Sender Current TV, der von Clintons ehemaligem Stellvertreter Al Gore gegründet wurde.

Der geheimnisumwitterte und gefürchtete kommunistische Diktator Kim Jong-il begnadigte die beiden Frauen gestern Abend. Sie sollen nach Informationen von US-Medien bereits heute mit Clinton in die USA zurückfliegen. Zuvor hatte es ein gemeinsames Abendessen von Clinton und Kim Jong-il gegeben.

Doch ging es bei dem Treffen mit Nordkoreas Machthaber tatsächlich nur um eine "humanitäre Mission", wie die US-Regierung betonte, oder vielleicht doch auch um die heftig umstrittenen Atomwaffen Nordkoreas? Oder war Clinton gar mit einer Botschaft von US-Präsident Barack Obama in das bitterarme, aber militärisch hoch gerüstete Land des "geliebten Führers" Kim Jong-il gekommen? Die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA berichtete über eine solche Botschaft, nannte aber keine Einzelheiten.

Ein Hauch von Agenten-Thriller umwehte die Ankunft Clintons in der Hauptstadt Pjöngjang: Der Jet, in dem er landete, trug nicht einmal Hoheitszeichen. Die Bilder, die das nordkoreanische Staatsfernsehen ausstrahlte, sollten offenbar ein beginnendes Tauwetter zwischen Pjöngjang und Washington belegen: brave Kinder, die dem weißhaarigen Besucher Blümchen überreichen, hohe Regierungsvertreter, die auffallend lange die Hand des Gastes schütteln.

Seit Monaten beharrt Nordkorea im Streit um sein Atomprogramm auf direkte Kontakte mit Washington. Der Besuch Clintons könnte als erster Schritt in diese Richtung gewertet werden. Doch diesem Eindruck versuchte die US-Regierung entgegenzusteuern. So ließ Präsident Barack Obama verkünden, es handele sich um eine "ausschließlich private" Reise Clintons. Lediglich zwei dürre Zeilen umfasste die Erklärung des Weißen Hauses - fast so, als habe man mit der Angelegenheit gar nichts zu tun. "Wir wollen den Erfolg der Mission des früheren Präsidenten Clinton nicht gefährden", hieß es. Immerhin: Einer der Nordkoreaner, der Clinton auf dem Flughafen die Hand schüttelte, war Vize-Außenminister Kim Kye-gwan - der Mann, der Verhandlungsführer bei den Atomgesprächen ist.

Noch vor Kurzem hatte es so ausgesehen, als sei die Familie Clinton in Nordkorea ungelitten. Hillary Clinton, Ehefrau von Bill und amtierende US-Außenministerin, war von einem nordkoreanischen Sprecher des Außenministeriums erst jüngst als "komische Lady" bezeichnet worden, die manchmal wie "ein Schulmädchen" aussehe. Er reagierte damit auf die "vulgären Bemerkungen", mit denen Hillary Clinton die Raketentests und Kriegsdrohungen Nordkoreas als zu ignorierende Provokationen abtat. Nordkorea gebärde sich wie ein "Kleinkind", das "ständig die Aufmerksamkeit" der Erwachsenen auf sich ziehen möchte.

Vom Besuch Clinton erhoffen sich Beobachter nun eine neue Runde der Sechs-Parteien-Gespräche unter Pekings Regie. Pjöngjang, das sich nach zwei Nukleartests als Atomstaat begreift, hatte seine Teilnahme an den Verhandlungen aufgekündigt. Die letzten hochrangigen, direkten Begegnungen zwischen einer US-Regierung und Nordkorea gab es im Jahr 2000 unter der Clinton-Administration.