Trainierte Killer sollten angeblich Mitglieder von al-Qaida töten. Demokraten fordern eine Untersuchung der Rolle des früheren Vizepräsidenten Richard Cheney.

Hamburg/Washington. "Wir wurden im Dunklen gehalten", fauchte Senatorin Dianne Feinstein, Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Senat. "Das ist etwas, das sich niemals, niemals wieder ereignen darf." Amerika diskutiert erregt über einen weiteren Skandal aus den Zeiten der Regierung von George W. Bush, der aber erst jetzt enthüllt wurde. Und die Demokraten von Präsident Barack Obama fordern bereits eine offizielle Untersuchung.

Zentrale Figur der Affäre ist der ehemalige Vizepräsident Richard "Dick" Cheney". Er soll vor acht Jahren strikte Anordnung gegeben haben, ein äußerst brisantes CIA-Projekt selbst vor den zuständigen Kongress-Ausschüssen zu verbergen - ein vermutlich illegaler Befehl. Denn dieser Plan des Geheimdienstes hatte es in sich: Basierend auf einer Anweisung von Präsident Bush nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 soll die CIA die gezielte Tötung von Al-Qaida-Mitgliedern geplant haben.

Dazu wurden Gelder in Millionenhöhe bewilligt und offenbar bereits Agenten geschult, wie das "Wall Street Journal" und andere US-Medien unter Berufung auf Geheimdienstquellen berichteten. Das Tötungsprogramm, das zwar in Kraft war, aber offenbar niemals in vollem Umfang umgesetzt wurde, unterlag bis zuletzt der Geheimhaltung. Doch als Barack Obamas neuer CIA-Chef Leon Panetta nach eigenen Angaben am 23. Juni davon erfuhr, stoppte er das Programm sofort und informierte nur einen Tag später die Geheimdienstausschüsse über das Programm - und über Cheneys Rolle, wie die "New York Times" schrieb.

Cheney könnte jetzt eine peinliche Befragung durch den Kongress drohen. "Das war kein Versehen. Es wurde ein Befehl erteilt, den Kongress nicht zu informieren", sagte der demokratische Abgeordnete Jan Schakowski, Vorsitzender des für Untersuchungen zuständigen Komitees im Repräsentantenhaus, der "Washington Post".

Ob Cheney mit seiner Anweisung geltendes Recht gebrochen hat, ist aber umstritten. Kongress und Geheimdienste streiten sich bereits seit Jahrzehnten um die Interpretation des "Nationalen Sicherheitsgesetzes" von 1947. Darin ist zwar eindeutig festgelegt, dass der Präsident - oder sein Vize - sicherstellen muss, dass die Geheimdienstausschüsse stets in vollem Umfang über alle wesentlichen Projekte informiert werden müssen. Doch gibt es darin einen Passus, der diese Informationspflicht "zum Schutz vor unautorisierter Veröffentlichung" besonders sensibler Informationen einschränkt. Auch kann diese Informationspflicht im Fall von Aktionen, bei denen die Rolle der USA verschleiert werden soll, auf die "Achter-Bande" beschränkt werden - die demokratischen und republikanischen Führer von Kongress und Repräsentantenhaus und der jeweiligen Geheimdienstausschüsse. Doch sogar diese ließ Cheney im Dunklen. "Niemand steht über dem Gesetz", sagte der Vorsitzende des Senats-Justiz-Ausschusses, der Demokrat Patrick Leahy.

Die Enthüllungen erfolgen nur einen Tag, nachdem in Washington bekannt wurde, dass Cheney in seiner Amtszeit auch verfügt hatte, das Programm des Geheimdienstes NSA zum Abhören ohne richterlichen Beschluss nur ganz wenigen Offiziellen mitzuteilen. Cheney gilt als mächtigster Vizepräsident der US-Geschichte und als treibende Kraft hinter dem Irak-Krieg.