Als der Wächterrat die Ergebnisse der Neuauszählung bekannt gab, strömten Hunderte von Polizisten und regimetreuen Bassidsch-Milizionären ins Zentrum der Stadt.

Beirut. Die Behörden hatten offenbar schon damit gerechnet, dass die Bestätigung von Präsident Mahmud Ahmadinedschads umstrittenem Wahlsieg erneut Demonstranten auf die Straßen treiben könnte. "Teheran wimmelt von Bassidsch-Milizen, sie tragen Stöcke, einige auf Motorrädern, mit Camouflage-Jacken, die neue Schläger-Uniform", berichtet Lara Setrakian, Reporterin des Fernsehsenders ABC, über den Mikrobloggingdienst Twitter. Augenzeugen zufolge kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Protestierenden und Sicherheitskräften, doch das Ausmaß der Ausschreitungen kann nicht ermittelt werden - der Informationsfluss aus dem Land ist nahezu vollständig zum Erliegen gebracht. Der Sprecher des Wächterrats, Ayatollah Ahmed Dschannati, sagte nach der Neuauszählung von zehn Prozent der Stimmen, das Wahlergebnis, das Ahmadinedschad mit 63 Prozent im Amt bestätigte, gelte nun offiziell. Der geschlagene Kandidat Mir Hussein Mussawi blieb anschließend bei seiner Forderung nach Neuwahlen. Nach Ansicht der Opposition sind die Stimmzettel zu Ahmadinedschads Vorteil manipuliert worden und können daher nicht mehr zur Wahrheitsfindung dienen.

Nach Verkündung der Entscheidung riefen wie in jeder Nacht seit den Wahlen am 12. Juni Tausende Menschen aus Protest "Allahu Akbar" ("Gott ist groß") über die Dächer von Teheran. Den Oppositionellen steht kaum noch eine andere Möglichkeit offen, ihrem Zorn Luft zu machen. Die massive Präsenz von bewaffneten Sicherheitskräften auf den Straßen von Teheran erstickt jeden Protest bereits im Keim. Nach Angaben staatlicher Medien sind bereits mehr als 650 Menschen festgenommen worden, Menschenrechtsgruppen gehen von 2000 Verhaftungen und Hunderten von Vermissten aus.

"Es ist ihnen fürs Erste gelungen, die Demonstrationen niederzuschlagen, doch die Wut bleibt auf einem sehr hohen Niveau. Millionen von Menschen, darunter auch Vertreter der herrschenden Klasse, teilen das Gefühl, dass ein großes Unrecht verübt worden ist", sagt Paul Salem, der Direktor des Carnegie Middle East Center in Beirut. "Der Iran ist weiter ein Staat in der Krise. Die Aufstände werden früher oder später in irgendeiner Form wieder ausbrechen", sagt der Experte. "Die Ereignisse bedeuten einen erheblichen Verlust an Legitimität für das Regime und es ist völlig unklar, wie sie damit umgehen werden." So mehren sich derzeit Anzeichen der Uneinigkeit innerhalb der politischen Führung, wie mit den Protesten weiter umzugehen ist. Während die Hardliner weiter dem westlichen Ausland die Schuld an den Aufständen geben, erscheint eine wachsende Anzahl einflussreicher Geistlicher und Politiker zunehmend beunruhigt: Nach Angaben des staatlichen Sender Press TV reiste die parlamentarische Kommission für nationale Sicherheit und Außenpolitik zu einer Unterredung mit zwei Großayatollahs nach Qom. Mitglieder der Gruppe hätten "tiefe Besorgnis über den politischen Schaden auf einheimischer und internationaler Ebene" geäußert, den die Proteste verursacht hätten, berichtete der Sender auf seiner Website.

Zuvor hatte sich das Komitee mit den Ex-Präsidenten Mohammad Chatami und Ali Akbar Hashemi Rafsanjani getroffen, um eine Annäherung zu erreichen. Beide zählen zu den ausdrücklichen Gegnern Ahmadinedschads.