Die im Jemen entführten Deutschen haben nach Angaben der Regierung in Sanaa die Warnung vor einem Überfall ignoriert und sich leichtfertig in Gefahr gebracht.

Sanaa/Berlin. "Die Behörden haben die Drohung eines Angriffs erhalten, und es gab eine Warnung an die Deutschen mit der Bitte, sich nicht außerhalb ihres gewohnten Arbeitsumfelds zu bewegen", sagte der jemenitische Innenminister Muttahar al-Masri am Wochenende.

In der vergangenen Woche war im Jemen eine Gruppe von neun Ausländern bei einem Ausflug ins Hinterland nahe der Grenze zu Saudi-Arabien entführt worden. Unter ihnen waren sieben Deutsche. Kurz darauf wurden die Leichen von zwei deutschen Krankenschwestern und einer südkoreanischen Lehrerin gefunden, die zu der Gruppe gehörten. Über das Schicksal der übrigen fünf Deutschen, Johannes H., Techniker eines Krankenhauses in der Provinzhauptstadt Saada, seine Frau und ihre drei Kinder, herrscht seitdem Ungewissheit.

Etwa 800 Menschen haben gestern in der baptistischen Immanuel-Gemeinde in Wolfsburg ihrer getöteten Gemeindemitglieder Anita G. und Rita S. gedacht. "Unsere Herzen sind bei Anita und Rita. Unsere Gedanken sind bei den Eltern", sagte Gemeindeleiter Johann Dockter im Gottesdienst. Die beiden jungen Frauen aus dem Landkreis Gifhorn waren Studentinnen einer Bibelschule im westfälischen Lemgo. Sie waren in den Jemen gereist, um in einem Krankenhaus ein Praktikum zu absolvieren. Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes gehe mittlerweile aber auch davon aus, dass die Deutschen vor Ort auch als Missionare bekannt waren, meldete "Der Spiegel". In den Hinterlassenschaften der erschossenen beiden Frauen fanden die Ermittler den Angaben zufolge Missionsschriften.

Insbesondere habe ein Missionsversuch von Johannes H. unter Einheimischen Proteste ausgelöst. Vor wenigen Monaten soll es in Saada zu einer heftigen Auseinandersetzung gekommen sein, bei der aufgebrachte Muslime H. bedrohten und aufforderten, seine Missionierungsversuche einzustellen. Johannes H. schilderte den Zwischenfall in einem Rundbrief an Freunde in Deutschland. Er habe in einem Teehaus in Saada einen Muslim kennengelernt und mit ihm spirituelle Gespräche geführt. "Außerdem", berichtete Johannes H., "ermutigte ich ihn, die Bibel zu lesen." Danach sei allerdings der Bruder des Mannes in dem Krankenhaus erschienen, in dem Johannes H. und seine Frau Sabine arbeiteten, und habe ihm gedroht, ihn bei den geistlichen Autoritäten anzuzeigen. Der Missionsversuch sei bereits Diskussionsthema in den Moscheen.

Auf den Aufenthalt im Jemen hatten H. und seine Frau sich unter anderem im hessischen Ort Eppstein bei Wiesbaden vorbereitet, bei einer Organisation namens "Weltweiter Einsatz für Christus", die Mitglied in der "Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Missionen" ist. In dem Konzept der Gruppe heißt es: "Wir sehen unseren Auftrag vor allem in der Evangelisation der noch unerreichten Völker der Welt."