Kann er sich halten, und wenn ja, wie lange noch? Wird er auch das alles aussitzen? Seit Wochen schon vergeht kaum ein Tag, an dem der Druck auf Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi nicht noch zunimmt.

Rom. - Gestern schaltete sich die katholische Kirche ein und forderte Berlusconi auf, Klarheit zu schaffen. Der Ministerpräsident habe "die heilige Pflicht", die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften, sagte Erzbischof Carlo Ghidelli von Lanciano-Cortone dem "Corriere della Sera".

Mal sind es freizügige Fotos vom Pool seiner Luxusvilla Certosa auf Sardinien, dann wieder Aussagen von Showgirls, die angeblich dafür bezahlt wurden, bei den Partys des 72-Jährigen mitzumachen und dann auch die Nacht in Berlusconis römischer Villa Grazioli zu verbringen. Süditalienische Staatsanwälte ermitteln wegen "Begünstigung der Prostitution" gegen einen Unternehmer, der die Mädchen auf den Weg gen Rom oder Sardinien gebracht haben soll. Es nutzt nichts, wenn der "Cavaliere" hinter all dem ein Komplott der linken Opposition sieht. Sein internationales Image und damit auch das Bild von "Bella Italia" in der Welt driftet auf einen Tiefpunkt zu.

Und im Land selbst befürchten viele, allen voran Gianfranco Fini, Präsident des Abgeordnetenhauses, einen neuen Vertrauensverlust für "La Casta", wie die Politiker-Klasse abwertend genannt wird. In der Affäre geht es längst nicht mehr um Berlusconis mögliches Verhältnis mit Noemi, der gerade volljährigen Schülerin aus Neapel. Die Damen heißen jetzt Patrizia D'Addario und Barbara Montereale, und sie stammen aus der Adria-Stadt Bari.

Die hübsche Barbara will von Berlusconi einen Umschlag mit 10 000 Euro geschenkt bekommen haben, ohne dass von Sex die Rede gewesen sei. Die linksliberale Zeitung "La Repubblica", Speerspitze beim Aufdecken all der Schwächen des Milliardärs und Medienmoguls, schreibt über versteckt gemachte Tonbandaufzeichnungen: Darin soll der Premier eine Dame, angeblich die 42-jährige Patrizia, einladen, "im großen Bett" auf ihn zu warten. Er werde jetzt duschen gehen und einen Bademantel anziehen. Es ist die Nacht der US-Präsidentenwahl. Offenherzig hatte Patrizia D'Addario zuvor erzählt, der mit dem Regierungschef befreundete Unternehmer aus Bari habe ihr 2000 Euro versprochen, wenn sie an einer Party in Berlusconis Residenz in Rom teilnehme. Und da sie beim ersten Mal nicht dort genächtigt habe, sei ihr nur die Hälfte ausgezahlt worden.

Zwar ist völlig offen, was davon tatsächlich stimmt. Doch aus der Opposition tönt der Ruf nach Berlusconis Rücktritt, denn er sei "erpressbar" und schade dem Land.

Berlusconi geht es inzwischen so wie Bill Clinton inmitten der Affäre um die im Oval Office des Weißen Hauses aktive Monica Lewinsky - auch wenn er im Ausland weilt, ist er gezwungen, sich zu den neuen Entwicklungen zu äußern. Bereits vom EU-Gipfel in Brüssel aus schimpfte er über die konzertierte Aktion gegen ihn und protzte: "Wir haben den Müll in Neapel beseitigt, wir werden auch diesen Müll entsorgen."

Doch Kritiker vergleichen ihn schon mit dem römischen Kaiser Nero, der ausschweifende Feste feierte, während Rom brannte. Und all das spitzt sich zu, während der G8-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in der Abruzzen-Hauptstadt L'Aquila immer näher rückt. Dort wollte Berlusconi als Gastgeber glänzen, jetzt dürfte er zum Gespött werden.