Bundeswehrverband: Einsatz gegen Seeräuber schon jetzt möglich. Russen wollen Kriegsschiffe vermieten.

Nairobi/Neu-Delhi. Das Pokern um das Millionen-Lösegeld für den gekaperten Supertanker "Sirius Star" vor Somalia hat eine Krisendiplomatie weltweit ausgelöst. Während Russland ein weiteres Kriegsschiff in Richtung somalische Küste in Marsch setzte, sprach sich Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) für eine deutsche Beteiligung am Anti-Piraten-Einsatz aus. Zu Beginn seines Indien-Besuches sagte er, man sei dabei, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. "Ich hoffe, dass das in den allernächsten Tagen zum Abschluss kommen kann." Die indische Marine hatte am Dienstagabend vor der Küste Somalias erstmals ein Piratenschiff versenkt.

Der Bundestag wird voraussichtlich noch im Dezember über die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Mission zur Piraten-Bekämpfung vor der Küste Somalias entscheiden. Die Bundesregierung bemüht sich derzeit um Klarheit über die Befugnisse der deutschen Soldaten - etwa, ob sie sie im Kampf gegen Piraten Polizeiaufgaben wie Verhaftungen übernehmen dürften.

Nach dem Grundgesetz sind die Aufgaben von Soldaten und Polizisten prinzipiell getrennt. Der EU-Einsatz soll noch in diesem Jahr anlaufen. Die zuständigen Ministerien seien sich bei dem Thema inzwischen grundsätzlich einig, hieß es aus Regierungskreisen.

Der Bundeswehrverband hat der Bundesregierung mangelnden Willen im Kampf gegen die ausufernde Piraterie am Horn von Afrika vorgeworfen. Das See- und Völkerrecht biete der Deutschen Marine schon jetzt Vollmachten für den militärischen Einsatz gegen somalische Seeräuber, sagte der scheidende Verbandsvorsitzende Bernhard Gertz. Dass die Bundeswehr Piraten nur beobachten und nur in Ausnahmefällen bekämpfen dürfe, sei irreal und diene nicht der Motivation der Soldaten. "Das ist ein Stück Absurdistan, das sich da abspielt", sagte Gertz.

"Ein Staat verhandelt nicht gerne mit Terroristen oder Entführern, aber die endgültige Entscheidung liegt bei den Schiffseignern", sagte der saudische Außenminister Prinz Saud al-Faisal. Er bestätigte, dass die Verhandlungen andauerten. Der britische Außenminister David Miliband sprach sich gegen die Zahlung von Lösegeld für den gekaperten Supertanker aus. Dadurch würden Piraten nur zu weiteren Überfällen ermutigt, sagte Miliband. "Es ist sehr wichtig, dass die internationale Gemeinschaft standhaft gegenüber der Plage von Geiselnahmen bleibt, egal ob es sich um Geiselnahmen auf Schiffen oder in Flugzeugen handelt." Am Golf von Aden gebe es ein grundlegendes Problem. Daher sei es richtig, europäische Marinekräfte dorthin zu entsenden.

Moskau kündigte unterdessen die Entsendung weiterer Kriegsschiffe in das Seegebiet an. "Das erfordert die Lage, die sich am Horn von Afrika und im Golf von Aden durch die Aktivitäten der Piraten akut zugespitzt hat", sagte Marine-Befehlshaber Wladimir Wyssozki. Ende September hatte die russische Militärführung das Küstenwachschiff "Neustraschimy" zur somalischen Küste entsandt. Dies geschah, nachdem Piraten einen ukrainischen Frachter mit 30 Panzern an Bord gekapert hatten. Das Schiff befindet sich weiter in der Gewalt der Seeräuber. Russland erwägt eine kostenpflichtige "Vermietung" seiner Kriegsschiffe als Geleitschutz für ausländische Frachter in der Konfliktregion.