Washington. Zwischen den beiden Präsidentschaftsbewerbern in den USA herrscht seltene Übereinstimmung. Sowohl der demokratische Senator Barack Obama als auch sein republikanischer Konkurrent John McCain sprachen sich gegen ein Urteil des Obersten Gerichtshofs aus, das die Todesstrafe für Kinderschänder für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Vergewaltigung eines sechs oder acht Jahre alten Kindes sei ein derart abscheuliches Verbrechen, dass die Anwendung der Todesstrafe unter strengen Auflagen zumindest möglich sein müsse, sagte Obama.

Eine umsichtige und genauestens überprüfte Anwendung der Todesstrafe in Einzelfällen könne kein Verstoß gegen die Gebote der Verfassung sein, sagte Obama. Wenn ein US-Staat dies entscheide, sollte er diese Täter zum Tode verurteilen können. Deswegen lehne er das pauschale Verbot der Strafe ab. McCain kritisierte das Urteil ebenfalls. Die Entscheidung sei ein Rückschlag für all jene, die versuchten, "diese schändlichen Verbrecher für das verabscheuungswürdigste Verbrechen" zu bestrafen.

Der Oberste Gerichtshof hatte die Anwendung der Todesstrafe bei verurteilten Vergewaltigern von Kindern zuvor als nicht rechtens bezeichnet. Das Gesetz verstoße gegen das verfassungsgemäße Verbot grausamer und ungewöhnlicher Bestrafung. Das Urteil fiel mit fünf zu vier Stimmen. "Die Todesstrafe ist keine verhältnisgemäße Strafe für die Vergewaltigung eines Kindes", begründete Richter Anthony Kennedy die Mehrheitsmeinung.

Obama ist - wie die allermeisten US-Politiker - ein Verfechter der Todesstrafe, wenn auch in abgeschwächter Form. Als Abgeordneter im US-Staat Illinois war Obama daran beteiligt, die Gesetze zur Anwendung der Todesstrafe zu überarbeiten, um eine Verurteilung Unschuldiger noch besser ausschließen zu können. Die Todesstrafe wird auch von einer Mehrheit der US-Bevölkerung befürwortet. Mit seinem Widerspruch gegen das Urteil bewegt sich Obama politisch in der Mitte, was für die Wahl im November noch wichtig sein könnte.

In seinem 2006 erschienenen Buch "Audacity of Hope" (Hoffnung wagen) schrieb Obama: "Obwohl mir alle Belege zeigen, dass die Todesstrafe nur wenig tut, um Verbrechen zu verhindern, glaube ich, dass es einige Verbrechen gibt - mehrfachen Mord, die Vergewaltigung und Tötung von Kindern -, die so schändlich sind, so völlig inakzeptabel, dass die Gesellschaft das Recht hat, ihre Empörung mit der Todesstrafe voll zum Ausdruck zu bringen."

In den USA wurde seit 44 Jahren niemand mehr für ein Verbrechen hingerichtet, bei dem das Opfer nicht zu Tode kam.