Paris. Die Fackel fünfmal gelöscht, Anti-China-Banner an den größten Wahrzeichen von Paris, Tausende tibetische Flaggen und demonstrierende Buddhisten auf der Strecke: Der Versuch Chinas, mit dem olympischen Fackellauf Werbung für sich und die Sommerspiele in Peking zu machen, ist seit Montag endgültig gescheitert. Die Veranstaltung wurde abgebrochen, den letzten Teil der Strecke legte die Fackel im Bus zurück - ein einmaliger Vorgang in der olympischen Geschichte.

Als "Flamme der Schande" bezeichneten Tibeter und ihre Anhänger das olympische Feuer. Zu Tausenden hatten sie sich auf dem "Platz der Menschenrechte" gegenüber dem Eiffelturm versammelt. "Die Vergabe der Olympischen Spiele an China hat zu einer Verschlechterung der Lage in Lhasa beigetragen", sagte die buddhistische Nonne Fabienne Gacon. "Es ist schade, dass die Proteste hier gewaltsam verlaufen sind, aber wir müssen die Menschen aufrütteln."

Der Zorn der Aktivisten war selbst von 3000 Sicherheitskräften nicht zu bändigen. Mit Feuerlöschern, Wasserkanonen und Flaschen attackierten sie die Flamme. Selbst einer im Rollstuhl sitzenden Sportlerin versuchten sie die Fackel zu entreißen. "Tibet, Tibet!", riefen die Gruppen, die sich dem Zug am Ufer der Seine und auf den Champs Élysees in den Weg setzten. Vor dem Eiffelturm bespuckten sich Tibeter und Chinesen und mussten von Sicherheitskräften getrennt werden. "Ihr seid Lügner und beschmutzt unseren Ruf", schrie ein Chinese mit der Flagge seines Landes in der Hand.

In Paris bildeten aber auch die Grünen, Reporter ohne Grenzen und Human Rights Watch mit den Tibetern eine Front.

Der Grünen-Politiker Sylvain Garel versuchte gleich beim Start auf der ersten Etage des Eiffelturms, die Fackel an sich zu reißen. "Die Spiele dürfen nicht im größten Gefängnis der Welt stattfinden", sagte er. Die Reporter befestigten riesige Banner, auf denen die olympischen Ringe als Handschellen dargestellt waren, am Eiffelturm, an der Kathedrale Notre Dame und am Rathaus.

Der politische Druck auf den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy wird nach dem Chaostag in Paris noch steigen. Ihm kommt die undankbare Aufgabe zu, in Peking als Ratspräsident die EU zu vertreten, und Europa ist in der Olympia-Frage gespalten. Sarkozy schließt einen Boykott der Auftaktzeremonie nicht aus, will seine Entscheidung aber von der weiteren Entwicklung in Tibet abhängig machen. Bei seinem Amtsantritt hatte er versprochen, den Menschenrechten weltweit zu mehr Geltung zu verschaffen.

Jetzt werfen ihm viele Franzosen einen Eiertanz vor. "Wir sind das Mutterland der Menschenrechte, es sei denn, wir wollen unsere Schnellzüge, Atomkraftwerke oder Flugzeuge nach China verkaufen", sagte der Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit.