In Reue fest - so lief's auch bei den Clintons und Seehofers. Die Affären von Paul Nevermann oder Günter Verheugen indes gingen anders aus...

Hamburg. Als Silda Spitzer sich 1996 entschloss, ihre eigene Karriere an den Nagel zu hängen und als "Politikergattin" die ihres Mannes zu stützen, suchte sie Rat bei der damaligen First Lady Hillary Clinton. Sie ahnte nicht, was "Stand by your man" im Extremfall heißen könnte. Heute wissen es beide Frauen.

Und beide halten sich an einen Kodex, der amerikanische Politikerfrauen umgibt wie ein stählernes Korsett: Auch wenn der Mann fremdgeht, wenn öffentlich ausgebreitet wird, wie und wo und mit wem er sich vergnügt hat, muss die Frau an seiner Seite stehen bleiben - wohlonduliert, gefasst und tapfer. Und möglichst soll sie ihn immer noch mit diesem Dornröschenlächeln ansehen, das signalisiert: Du bist der Größte für mich. Alles fürs Business.

Mrs. Spitzer ist das nicht so toll gelungen. Sie hatte ihrem Mann eine Karriere als erfolgreiche Wirtschaftsanwältin geopfert. Die Harvard-Absolventin, Mutter von drei Töchtern, arbeitete engagiert für ihre eigene Kinderorganisation und war anerkannte Beraterin ihres Mannes mit eigenem Büro in seinem Amtssitz. Sie hat ihre Existenz an ihn geknüpft und von ihm dasselbe erwartet. Und jetzt?

Als am Montag feststand, dass Spitzer Zehntausende Dollar für Prostituierte des Escort Service Emperor's Club V.I.P. in Anspruch genommen hatte, verließ das Paar den Gouverneurs-Amtssitz in New York noch Hand in Hand. Als er am Mittwoch seinen Rücktritt bekannt gab, stand sie wie versteinert neben ihm. "Sie schaute angestrengt zur Seite des Podiums", schreibt die "International Herald Tribune".

Was geht in einem solchen Moment in einer Frau vor? Warum steht sie da überhaupt noch? Warum sagt sie nicht: "Wenn du den Spaß mit anderen hast, dann kannst du jetzt auch den Ärger ohne mich haben."?

Vielleicht sagt sie es nicht, weil eine Politikerehe in den USA kein Privatvergnügen ist. US-Politiker sind öffentliche Kunstfiguren, die ihr ganzes Leben in einen Marketingplan einbauen: Frau, Kinder, Hobbys, Haustiere und sogar Feriensitze. Die Karriere ist ein Familienunternehmen. Für die wichtigste Mitarbeiterin wird es zur Fessel.

Hillary Clinton hat denselben Theaterauftritt nach der Monica-Lewinsky-Affäre absolviert und mit Rücksicht auf Bills Karriere geschwiegen. Ihre Gefühle zeigte sie, wie eine Kolumnistin der "New York Times" beobachtete, nur in ihrer Kleidung: langärmeligen, halsnahen Roben, würdig und unnahbar wie eine Herzogin. Bill Clintons Affären waren schon zu seiner Zeit als Gouverneur von Arkansas Legion. Anfang der 90er-Jahre, schreibt der Pulitzer-Preisträger Carl Bernstein in seiner Hillary-Biografie, habe sie ernsthaft von Scheidung gesprochen. Aber dann folgte das Projekt "Präsidentschaft" - eben ein Familienunternehmen.

Die USA haben mannigfaltige Erfahrungen mit späten, peinlichen Politiker-Geständnissen - und mit Ehefrauen, die in schweigsamer Solidarität daneben stehen. Der Demokrat Gary Hart musste 1988 seine Präsidentschaftskandidatur zurückziehen, nachdem ein Foto von ihm mit seiner Freundin Donna Rice veröffentlicht wurde. Seine Frau Lee verteidigte ihn, das Verhältnis sei "unschuldig".

Der Senator von Idaho und neunfache Großvater Larry Craig musste sich nach vorherigen ähnlichen Gerüchten im September 2007 dem Vorwurf stellen, er habe sich einem Polizisten auf einer Herrentoilette eindeutig genähert. Craigs Frau Suzanne stand mit gefrorenem Lächeln neben ihm bei der Pressekonferenz. Sie verteidigt ihn bis heute vehement. "Ich habe mich gefragt: War ich naiv? Aber er hat uns (die Familie) nie betrogen."

Einer der Männer, die Beziehungen zu Craig gehabt haben wollten, brachte auch den Evangelikalenführer Ted Haggard zu Fall. Haggard, der wortgewaltige Prediger der christlich-harmonischen Familie, musste seine Kirche verlassen. Seine Frau Gayle stand zu ihm: "Es ist jetzt offensichtlich geworden, dass er wie jeder Mensch einen Erlöser braucht."

Auch in Europa halten Politikerinnen ihrem Mann die Stange - aber es gibt inzwischen mehr Rollenmodelle. Die brave Frau, die sich alles bieten lässt, wird seltener.

Das musste schon der Hamburger Erste Bürgermeister Paul Nevermann erfahren. Als sich seine Frau Grete im Sommer 1965 weigerte, an seiner Seite als "First Lady" beim Staatsbesuch der britischen Queen Elizabeth II. aufzutreten, machte sie damit öffentlich, dass Nevermann eine Geliebte hatte. Er musste im November zurücktreten.

Auch Gabriele Verheugen hatte irgendwann die Nase voll. Im September letzten Jahres trennte sie sich von ihrem Mann, dem EU-Kommissar Günter Verheugen, der in Brüssel offenbar eine Langzeitbeziehung zu seiner Kabinettschefin Petra Erler unterhielt. Karin Seehofer hatte zu Hause in Ingolstadt lange keine Ahnung von der Beziehung ihres Mannes in Berlin zu der jungen Anette Fröhlich. Die Ehefrau schwieg, als Horst Seehofer sich zu Fröhlich bekannte. Sie schwieg, als bekannt wurde, dass Fröhlich ein Kind erwartete. Und dass die Schäferstündchen oft im Ferienhaus der Familie stattgefunden hatten, im Ehebett.

Warum lassen sich Frauen das gefallen? Warum nehmen sie den testosterongebeutelten Abenteurer wieder auf? Warum lächeln sie, wie auch Karin Seehofer, nach alldem wieder an seiner Seite in die Kameras?

Egal wie reumütig sich der Ehebrecher anschließend zeigt: Die Frau trägt immer die schwerere Last. Er hat betrogen - aber die Demütigung trifft sie. Er darf öffentlich weinen - sie muss stark sein. Er kann sich entschuldigen - sie muss aushalten.