Die fortschreitende Abholzung des brasilianischen Urwaldes wird verheerende Folgen für das Weltklima haben.

Hamburg. Deutschland, das sich mit Recht seiner schönen Wälder rühmt, erstreckt sich über 357 000 Quadratkilometer. Die Fläche des seit 1970 abgeholzten Amazonas-Urwalds beträgt mehr als 700 000 Quadratkilometer.

In Brasilien, Heimat des Amazonas, vollzieht sich eine schleichende Umweltkatastrophe, deren Konsequenzen für unser Klima noch gar nicht vollständig abzusehen sind. "Noch nie zuvor haben wir eine so große Zerstörungsrate festgestellt", klagte der Leiter des "Nationalen Instituts für Weltraumforschungen", Gilberto Camara. Sein Institut liefert jene Satellitenbilder, die das Elend am Boden dokumentieren.

Die Wiener Tageszeitung "Der Standard" zitierte den Exekutivsekretär im Umweltministerium in Brasilia, Jose Capobianco, der von "extrem besorgniserregenden Zahlen" sprach. Allein zwischen August und Dezember 2007 seien 3235 Quadratkilometer Urwald abgeholzt worden. Capobianco räumte ein, dass sich diese Zahl nach weiteren Analysen noch verdoppeln könnte. Zum Vergleich: Das Saarland ist 2569 Quadratkilometer groß.

Nach Erhebungen der brasilianischen Statistik-Behörde IBGE hat sich die Abholzungsrate zuletzt auf 20 000 Quadratkilometer pro Jahr erhöht.

Brasiliens Präsident Lula de Silva berief eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein und kündigte Gegenmaßnahmen an - erst einmal wurde die Wald-Polizei um 25 Prozent aufgestockt, um illegale Rodungen zu verhindern. Seit gestern sind bereits 300 Polizisten, Sicherheitsbeamte und Techniker des Instituts für Umweltschutz (Ibama) im Amazonas-Bundesstaat Para im Einsatz, um rund 70 Sägereien und Forstbetriebe zu überprüfen.

Der Amazonas-Regenwald ist eines der artenreichsten Gebiete der Erde. Der weltgrößte Urwald umfasst gut vier Millionen Quadratkilometer. Noch - er schrumpft nämlich rapide. Nach Berechnungen des Worldwide Fund for Nature (WWF) wird er im Jahre 2030 bereits zu 55 Prozent zerstört sein.

Die Folgen für unser Klima wären verheerend - Dan Nepstad vom Forschungsinstitut Woods Hole Research Center in Massachusetts fürchtet, dass dadurch bis zu 100 Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich freigesetzt werden könnten. Das wäre die doppelte Menge der heutigen CO2-Belastung. Keine Filter an Kraftwerken oder Fahrzeugen könnten dies ausgleichen. Die Niederschläge würden sich verringern - und damit die Kühlung des Planeten. Das Amazonas-Gebiet gilt als "globale Klimaanlage", die jährlich sechs Billionen Tonnen Wasser in die Erdatmosphäre entlässt. Bei zunehmender Rodung wäre weitere Erderwärmung die Folge. Oft werden die Wälder durch Brandrodung vernichtet - was riesige Mengen CO2 freisetzt.

Viele Wald-Tierarten sind bereits vom Aussterben bedroht.

Offiziell gibt es strenge Gesetze zum Schutz des Regenwaldes. Doch die Realität vor Ort ist komplizierter. Es geht um Wirtschaftsinteressen und sehr viel Geld. Politisch gut vernetzte Rinder- und Holzbarone setzen ihre Interessen meist durch, und Korruption ist allgegenwärtig.

Die bei Weitem größten Abholzungsraten finden sich im Bundesstaat Mato Grosso. Gouverneur dieses riesigen Gebietes, zweieinhalbmal so groß wie Deutschland, ist Blairo Maggi.

Er ist zugleich der größte private Soja-Produzent der Welt. Brasilien produziert pro Jahr rund 50 Millionen Tonnen der "Goldenen Bohne" auf gerodeten Flächen; auch US-Konzerne sind beteiligt. Soja dient als billiges Tierfutter, um die steigende Nachfrage nach Fleisch zu befriedigen. Und ausgerechnet der Anbau von Pflanzen, die für Bio-Kraftstoffe genutzt werden, beschleunigt den Tod des Regenwaldes. "Die Ökonomie kontrolliert die Entwaldung Brasiliens", sagt Paul Adario von Greenpeace.