Die Kontrahenten des Afroamerikaners fragen sich verwundert, wie der kometenhafte Aufstieg des Demokraten zu erklären ist.

Washington. Der klare Sieg des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama in Iowa über die Favoritin Hillary Clinton war überraschend. Sehr viel erstaunlicher ist jedoch der Wandel, der sich in den USA während der letzten paar Tage seit Obamas Erfolg vollzogen hat.

Das war nicht nur in New Hampshire zu spüren, wo gestern Vorwahlen stattfanden und wo Obama wieder deutlich in Führung lag, sondern im ganzen Land. Der Farbige, Sohn eines schwarzen Kenianers und einer Weißen aus Kansas, hat sich binnen weniger Tage zum Messias für eine ganze Generation gemausert. Rassenschranken scheinen keine Rolle mehr zu spielen. Der 46 Jahre alte Präsidentschaftskandidat rollt auf einer Woge des Erfolges. Seine Kontrahenten im Kampf um das Weiße Haus reiben sich verwundert die Augen und suchen vergeblich nach Strategien, um den kometenhaften Aufstieg Obamas zu bremsen. Fast verzweifelt fragen sie: "Was macht Barack Obama so stark?"

Ein Sieg in Iowa löst normalerweise immer das aus, was die Amerikaner "momentum" nennen, quasi eine Welle der Begeisterung, die nach New Hampshire überschwappt und dem siegreichen Kandidaten meist einige Prozentpunkte in den Umfragen gibt. Das alleine ist es jedoch nicht.

Zum einen holte Obama nicht einige Prozent auf, sondern überholte die führende Hillary Clinton und setzte sich in den Umfragen mit 13 Punkten Vorsprung an die Spitze, zum anderen scheint der hoch gewachsene Politiker für alle wählbar. Das Hauptargument, gegen das der Farbige vor Iowa zu kämpfen hatte, war, dass die USA noch nicht bereit seien für einen Afroamerikaner im Weißen Haus. Diese Ausrede wurde durch den Sieg in Iowa, wo über 97 Prozent der Bewohner weiß sind, pulverisiert.

Das größte Plus für Obama ist jedoch seine Fähigkeit, Menschen begeistern zu können - mit seiner Vision von einem neuen, einem gänzlich anderen Amerika. Er ist der einzige unter all den Kandidaten - republikanischen wie demokratischen -, dem die Leute abnehmen, dass für ihn Parteigrenzen keine Bedeutung haben und er nur daran interessiert ist, Gutes für die Bürger, die USA und die Welt zu tun. Auch wenn alle seine Kontrahenten, so wie er, ständig von Wechsel und Wandel sprechen, scheint Obama der Einzige, dem die Menschen es auch wirklich glauben.

Wenn man Barack Obama reden hört, kann man nicht umhin, ihn als eine Art schwarzen John F. Kennedy zu sehen. Der Farbige ist nicht, wie fast alle anderen White-House-Aspiranten, darauf bedacht, bei seinen Wahlauftritten eine möglichst einfache, klare Sprache in Form von Soundbites zu wählen. Er klingt nicht selten akademisch und vermittelt seinen Zuhörern den Eindruck, in einer Philosophie-Vorlesung zu sein. Doch entgegen allen Wahlkampfregeln kommt Obama damit durch, wenn er Sätze wie diesen ins Mikrofon spricht: "Es gibt einen Augenblick im Leben jeder Generation, wo diese der Geschichte ihren Stempel aufdrücken kann, wo dieser Geist der Hoffnung durchbrechen muss, und das ist unser Augenblick, das ist unsere Zeit."

Der junge Politiker versteht es, die Sehnsucht der Amerikaner nach einem Ende der Kämpfe zwischen Republikanern und Demokraten zu schüren und ihnen Hoffnung zu vermitteln, dass nur er dazu in der Lage ist. Ebenso wie die Bürger durch Obama die große Chance sehen, Schwarz und Weiß zu einen. Viele Amerikaner wollen den Senator aus Illinois im Weißen Haus sehen, weil sie sich durch die Ermordung John F. Kennedys um einen historischen Wandel beraubt sahen. Diese zweite Chance wollen sie sich nicht entgehen lassen.