Hunderttausende trauerten um die ermordete Politikerin. Und die Atommacht Pakistan balanciert am Abgrund.

NAUDERO/ISLAMABAD. Begleitet von einem Trauerzug Hunderttausender Anhänger ist die pakistanische Oppositionsführerin Benazir Bhutto am Freitag in ihrer Heimat beigesetzt worden. Die frühere Regierungschefin wurde einen Tag nach ihrer Ermordung im Familienmausoleum in Ghari Khuda Baksh im Süden Pakistans bestattet. Die Regierung machte das Terrornetzwerk al-Qaida für den Anschlag auf Bhutto verantwortlich. Dem Fernsehsender Ary TV zufolge bekannte sich al-Qaida selbst zu der Tat.

Ein weißer Krankenwagen brachte den Sarg im Schritttempo durch die Menschenmenge zum Familienmausoleum in der Provinz Sindh. Für den fünf Kilometer langen Weg vom Haus der Familie in Naudero bis zum Mausoleum benötigte der Wagen zwei Stunden. Der Sarg war mit einer Fahne von Bhuttos Pakistanischer Volkspartei (PPP) bedeckt. Bhuttos Ehemann Asif Zardari weinte während der Zeremonie.

Bhutto wurde an der Seite ihres 1979 hingerichteten Vaters, des einstigen Präsidenten, Premierministers und PPP-Gründers Zulfikar Ali Bhutto, bestattet. Auch ihre beiden ebenfalls getöteten Brüder sind dort begraben.

Die Regierung erhöhte die Sicherheitsvorkehrungen und entsandte zusätzliche Truppen in mehrere Städte von Bhuttos Heimatprovinz Sindh. In der Millionenstadt Karachi erhielten die paramilitärischen Kräfte einen Schießbefehl gegen Demonstranten. Der Mord an der Oppositionsführerin hatte landesweit Ausschreitungen und Proteste gegen Präsident Pervez Musharraf ausgelöst. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen kamen dabei mindestens 32 Menschen ums Leben.

Bhuttos Tod hat weltweit Sorge vor einem Erstarken der Islamisten in Pakistan ausgelöst, das über Atomwaffen verfügt. Papst Benedikt XVI. verurteilte den "brutalen terroristischen Angriff". Der britische Premierminister Gordon Brown forderte Musharraf auf, den demokratischen Kurs einzuhalten.

Der Tod der charismatischen Oppositionspolitikerin hinterlässt in Pakistan ein gefährliches Vakuum. Auch 60 Jahre nach seiner Gründung ist der Atomstaat ein instabiles Gebilde aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, die kaum etwas verbindet. Der islamische Glaube hat sich nicht als Klammer erwiesen. "Benazir stand auf der Todesliste von al-Qaida ganz oben", erklärte Pakistans Innenministerium.

Die 54-Jährige Bhutto war mehrfach gewarnt worden, in ihr Heimatland zurückzukehren. Doch sie schlug die Bedenken in den Wind. "Ich weiß, wer mich töten will", hatte sie fast trotzig gesagt. Nur Stunden nach ihrer Rückkehr aus dem Exil Mitte Oktober wurde in Karachi das erste Attentat auf sie verübt. Fast 140 Menschen starben.

Für islamische Extremisten war Bhutto eine Hassfigur, die so ziemlich alles Böse verkörperte: westliche Werte, Pro-Amerikanismus und eine moderate Haltung zum Islam. Bhutto hatte den Extremisten offen den Kampf angesagt und der Regierung mangelnden Einsatz gegen Taliban- und al-Qaida-Kräfte vorgeworfen. Ihre Ermordung ist ein Triumph für die Extremisten, die seit der Stürmung der Roten Moschee im Juli Hunderte Menschen bei Selbstmordanschlägen getötet haben. Das Attentat destabilisiert das Land weiter.

Die Regierung erklärte zwar, sie wolle an dem geplanten Wahltermin am 8. Januar festhalten. Doch in Pakistan glaubt das kaum jemand. Bhuttos Partei, die Pakistanische Volkspartei, hat ihre Spitzenkandidatin und ihr Zugpferd verloren. Die Politikerin hatte sich zur Parteiführerin auf Lebenszeit wählen lassen.

Präsident Musharraf hätte nun einen Grund, erneut den Notstand zu verhängen und die Parlamentswahlen zu verschieben. Doch falls die Unruhen im Land sich ausweiten, wäre es möglich, dass die Armee ihn zum Rücktritt zwingt.