GENF. Millionen Iraker sind nach Einschätzung der Vereinten Nationen dringend auf internationale Hilfe angewiesen. Neben Vertriebenen und Flüchtlingen sind es auch diejenigen, die wegen religiöser oder ethnischer Diskriminierung sich und ihre Familien nicht mehr ernähren können, hieß es gestern zum Auftakt einer zweitägigen Uno-Konferenz in Genf.

Dort diskutieren rund 450 Delegierte aus mehr als 60 Ländern über Wege zur Linderung von Not und Gewalt im Irak. Uno-Generalsekretär Ban Ki-Moon sagte in einer Video-Botschaft aus New York, er setze auf internationale Unterstützung für die Flüchtlinge und Vertriebenen. "Die Nachbarstaaten müssen ihre Grenzen offen halten, andere müssen weiterhin Asyl und andere Formen des Schutzes gewähren", sagte der Uno-Generalsekretär. Bis zu 50 000 Menschen fliehen jeden Monat aus dem Irak; bislang sind rund zwei Millionen auf der Flucht.

"Wir alle müssen begreifen, es handelt sich hier um eine weltweite Verantwortung mit internationalen Auswirkungen", sagte der Uno-Generalsekretär. Moons Sonderkoordinator für internationale Hilfe, John Holmes, sprach sogar von acht Millionen Irakern, die von Gewalt und Verfolgung unmittelbar betroffen und somit hilfsbedürftig seien. "Fest steht, dass die irakische Zivilbevölkerung sich derzeit in einer der schwierigsten und gewaltträchtigsten Situation der Welt befindet", sagte Holmes. Auch innerhalb des Landes wüssten viele Iraker kaum noch, wo sie sich in Sicherheit bringen sollen.

Die Konferenz soll vor allem die internationale Gemeinschaft auf das Problem aufmerksam machen und Wege nach Lösungen suchen, insbesondere beim Aufbringen von Finanzmitteln zur Unterstützung von Hilfsorganisationen. Uno-Flüchtlingskommissar Antóonio Guterres warnte davor, die humanitäre Krise im Irak weiterhin zu vernachlässigen. Obwohl dem Irakkrieg weltweit höchste Aufmerksamkeit in den Medien zuteil werde, bleibe das Vertriebenen- und Flüchtlingsdrama weitgehend im Dunkeln. "Das Ausmaß des Problems spricht für sich selbst", sagte Guterres. "Bei der bedeutendsten Vertreibung im Nahen Osten seit den dramatischen Ereignissen von 1948 (israelisch-arabischer Krieg) wurde einer von acht Irakern aus seiner Heimat vertrieben."

Jordanien hat bereits 750 000 irakische Flüchtlinge aufgenommen, was rund 14 Prozent seiner Bevölkerung entspricht. In Syrien halten sich nach Schätzungen mehr als eine Million Menschen aus dem Irak auf. Ägypten hat 100 000 Flüchtlinge aufgenommen, der Iran 54 000, der Libanon 40 000 und die Türkei 10 000. Die Nachbarländer des Irak sind inzwischen so überlastet, dass sie den irakischen Flüchtlingen oftmals die Einreise verweigern. In den Industrieländern stellten im vergangenen Jahr 22 200 Iraker Asylanträge - die meisten von ihnen in Schweden. In Deutschland stellten 2100 Iraker einen Asylantrag.