Washington. Liest man die Zeugenliste im Prozess gegen Lewis "Scooter" Libby, den ehemaligen Stabschef und Sicherheitsberater von US-Vize-Präsident Dick Cheney, so hat man das Gefühl, als blättere man im "Who is Who" der amerikanischen Medien. Neben "Watergate"-Ikone Bob Woodward ("Washington Post"), werden unter anderem auch die Pulitzerpreis-Gewinnerin Judith Miller (ehemals "New York Times"), NBC Washington-Bürochef Tim Russert und Matthew Cooper (ehemals "Time") in den Zeugenstand treten und versuchen, Libby, der des Meineides und der Behinderung der Justiz angeklagt ist, hinter Gitter zu bringen. Die Verteidigung des Angeklagten hat nicht minder respektable politische Schwergewichte auf ihrer Seite. Sowohl Dick Cheney als auch Karl Rove, der engste politische Berater von US-Präsident George W. Bush, wollen zugunsten Libbys aussagen.

In der Verhandlung, die die US-Medien als "Prozess des Jahres" feiern und die gestern offiziell begann, geht es darum, ob Libby im Fall der ehemaligen CIA-Agentin Valerie Plame unter Eid gegenüber der amerikanischen Bundespolizei FBI und der Anklagejury bewusst gelogen hat. Im Falle einer Verurteilung drohen "Scooter" Libby bis zu 30 Jahre Haft und eine Geldstrafe von bis zu 1,25 Millionen Dollar.

Der Fall ist kompliziert. Ausgangspunkt der sogenannten "Plame-Affäre" war ein Kommentar des bekannten konservativen Kolumnisten Robert Novak in der "Washington Post" vom 14. Juli 2003. Dieser enttarnt dort, angeblich unwissend, die Frau des US-Diplomaten Joseph Wilson, Valerie Plame, als Undercover-Agentin der CIA. Wilson wittert eine gezielte Vergeltung der Regierung Bush, die er acht Tage vorher in einem Artikel der "New York Times" bezichtigt hatte, den Irakkrieg "bewusst mit falschen Fakten" bezüglich dort angeblich vorhandener Massenvernichtungswaffen begründet zu haben. Auf die bewusste Enttarnung von CIA-Agenten stehen bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.

Bald wird deutlich, dass die Quelle Novaks zumindest in regierungsnahen Kreisen zu suchen ist. Präsident Bush weist jede Schuld von sich, ebenso wie sein Vize Cheney und mehrere andere Verdächtige im Weißen Haus. Novak weigert sich, seinen Informanten zu nennen und erklärt, dass noch mindestens sechs andere Journalisten, darunter Bob Woodward, den Namen der Quelle kennen, der Valerie Plame verraten hat. Bundesanwalt Patrick Fitzgerald, als "harter Hund" bekannt, ermittelt. Judith Miller und Mathew Cooper verbringen bis zu 85 Tagen in Beugehaft. Dann erhalten sie von ihrem Informanten und ihren Zeitungen die Genehmigung auszupacken: Die undichte Stelle war Richard Armitage, ehemaliger stellvertretender US-Außenminister.

Doch sonderbarerweise wird nicht er angeklagt, sondern Libby. Nicht weil dieser den Namen ausplauderte, sondern weil er während der Ermittlungen log und sagte, er habe sich nicht an ein Gespräch mit Dick Cheney erinnern können, wo ihm dieser von Plame erzählte. Warum weder der Plauderer Armitage noch Cheney oder Rove, die sich nachweislich auch mit Journalisten über Plame unterhielten, angeklagt sind, ist selbst für Experten schwer zu verstehen.

Fakt ist jedoch, dass der 55-jährige Libby, früher einmal selbst hoch bezahlter Prominentenanwalt, Gefahr läuft, den Rest seines Lebens im Gefängnis zu verbringen. Um das zu verhindern, will er selbst notfalls auch aus dem Nähkästchen plaudern. Deshalb verwundert es nicht, dass alleine im Weißen Haus drei Millionen Dollar gesammelt wurden für die Verteidigung Libbys, und dass mit Cheney erstmals in der US-Geschichte ein amtierender US-Vize-Präsident in einem Strafverfahren aussagen wird.