Nach dem Massaker in einem US-Sozialzentrum im US-Bundesstaat New York herrscht weiterhin Unklarheit. Zwar hat sich die radikalislamischen Taliban zu dem Verbrechen bekannt, doch die Polizei geht immer noch von einem asiatischen Einzeltäter aus. Bilder zum Blutbad in Binghamton.

Islamabad/Washington. Nach dem Massaker in einem US-Sozialzentrum ist das Motiv des Täters noch völlig rätselhaft. Am Tag nach der Bluttat bekannten sich die radikalislamischen Taliban zu dem Verbrechen. "Was gestern in den USA passiert ist, wurde von unseren Männern getan", sagte der von der Regierung in Islamabad gesuchte Baitullah Mehsud zu Journalisten am Telefon. Die pakistanischen Behörden wiesen das Bekenntnis jedoch als Unsinn zurück. Mehsud habe nicht die Möglichkeiten für einen Anschlag in den USA, sagte ein Vetreter der Sicherheitskräfte. Auch die US-Polizei sieht keinerlei Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund gesehen.

Die Polizei geht ersten Erkenntnissen davon aus, dass der 42- jährige aus Asien stammende Täter alleine für das Blutbad verantwortlich ist. Er soll am Freitag um 10.15 Uhr Ortszeit in der Stadt Binghamton, gut 200 Kilometer nordwestlich von New York, mit zwei Handfeuerwaffen das Gebäude der American Civic Association betreten haben. Sofort habe er das Feuer eröffnet. Die Organisation hilft Einwanderern etwa bei der Job- und Wohnungssuche und bietet Sprachkurse an. Der US-Sender CNN berichtet, die Identität des Täters sei den Ermittlern bekannt. Er sei arbeitslos gewesen und habe zuvor als Techniker in einer Staubsauger-Reparaturwerkstatt gearbeitet. Seine Wohnung in einer nahe Binghamton gelegenen Kleinstadt sei bereits durchsucht und auch seine Mutter vernommen worden.

Zeitweise hatte der Schütze nach Angaben der Polizei rund 40 Menschen in seiner Gewalt. Vielen Geiseln gelang es, sich in den Heizungsraum im Keller und in Schränke zu flüchten. Um das Entkommen seiner Opfer zu verhindern, hatte der Täter die Hintertür mit seinem Auto blockiert. "Der Überfall war ganz offensichtlich geplant", sagte der Polizeichef der Stadt, Joseph Zikuski. Vier Menschen mussten schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht werden, hieß es. 37 Geiseln seien unverletzt befreit worden. Viele der Opfer sind offensichtlich Ausländer, die sich um eine Einbürgerung bemühten. Der Täter selber habe sich mit einem Kopfschuss umgebracht.

Talibanführer Mehsud dagegen sprach von zwei pakistanischen Tätern, von denen einer entkommen sei. Der Anschlag sei eine Antwort auf Luftangriffe der US-Streitkräfte im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet, sagte er. Anschläge auf US-Einrichtungen würden fortgesetzt, solange die USA ihre Luftangriffe im Stammesgebiet an der Grenze zu Afghanistan nicht einstellten, fügte Mehsud hinzu.

Mehsud, der bereits einmal von den pakistanischen Behörden für tot erklärt worden war, gilt als Anführer der Taliban-Bewegung Pakistans (TTP). Er hat an der Grenze zu Afghanistan angeblich rund 2000 Kämpfer unter Waffen. Erst vor einigen Tagen hatte er die Verantwortung für mehrere Anschläge in Pakistan übernommen.

US-Präsident Barack Obama, der beim NATO-Gipfel in Straßburg und Baden-Baden war, äußerte sich "geschockt und tief betrübt" über das erneute Blutbad. "Es hat sich eine entsetzliche Tragödie ereignet", klagte der Gouverneur des Bundesstaates, David Peterson. Auch US- Vize-Präsident Joe Biden äußerte sich zu dem Blutbad. Offensichtlich mit Blick auf die laxen Waffengesetze in den USA meinte er, es sei notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, um solche "sinnlose, sinnlose Gewalt" zu verhindern.

Mehrere Stunden lang war die Situation in dem Sozialzentrum völlig undurchsichtig gewesen. Die großen amerikanischen TV-Sender berichteten live von dem Geschehen. Scharfschützen zogen vor dem Gebäude in der 47 000-Einwohner-Stadt auf. Zugleich bemühte sich die Polizei aber auch, Kontakt zu dem Täter aufzubauen. CNN berichtete, die Behörden hätten einen vietnamesischen Übersetzer an den Ort des Verbrechens gerufen, um die Aussagen von Zeugen, die aus dem Zentrum fliehen konnten, aufzunehmen. Spezialisten der Bundespolizei FBI hätten die örtliche Polizei unterstützt.