Kanzlerin Angela Merkel wollte der Erhöhung des Rettungsfonds für Not leidende osteuropäische Länder verhindern. Auf Druck der anderen Regierungschefs musste sie zustimmen.

Brüssel. Am Ende ging alles ganz schnell. Nur drei Stunden verhandelte die deutsche Kanzlerin Freitagmorgen in Brüssel. Dann sagte Angela Merkel, was sie immer zum Abschluss eines EU-Treffens sagt: "Das war ein erfreulicher Gipfel, auf dem Deutschland seine Ziele durchsetzen konnte - ich glaube, auch zum Wohle Europas."

Ganz so war es nicht, Merkel musste auch nachgeben. So stemmte sie sich tagelang gegen eine Aufstockung der Notkredite für osteuropäische EU-Staaten in Zahlungsschwierigkeiten. Jetzt aber werden sie doch auf 50 Milliarden Euro verdoppelt.

Die Kanzlerin wollte um jeden Preis Streit vermeiden. Denn der Frühjahrsgipfel sollte vor allem eines zeigen: Geschlossenheit in der schweren Wirtschaftskrise. In 13 Tagen will Europa als Einheit beim G20-Treffen in London auftreten. "Wir werden beim Weltfinanzgipfel eine europäische Position haben", sagte EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso mit breitem Grinsen.

Hinter dem Rücken wurde freilich viel gelästert - auch über Merkel. Nach Angaben aus hohen diplomatischen Kreisen soll Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Donnerstag bei einem Mittagessen in Paris Merkel erneut als "Madame No" bezeichnet haben. Sie könne "einfach nicht anders". Aber am Ende mache sie dann doch mit.

Das könnte auch beim Thema Konjunkturprogramm so sein. Tatsächlich könnte wieder nachgelegt werden. Das machte ein Kommentar von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) am Rande des Gipfels deutlich: "Ich erwarte, dass im Mai die nächste Welle (über ein drittes Konjunkturpaket) durch das Tal rast." Wie lang wird die Große Koalition bei steigender Arbeitslosigkeit, vier Monate vor den Bundestagswahlen, Widerstand leisten können?

Auch die US-Regierung verlangt von den Europäern, die Konjunkturhilfen weiter aufzustocken. Die EU antwortet darauf jetzt mit Rechenakrobatik. Sie will beim Treffen der G20-Staaten in London nicht zum Buhmann werden. Bei diesem Treffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer will Brüssel auch vorschlagen, die Mittel für den Internationalen Währungsfonds (IWF) auf 500 Milliarden Euro zu verdoppeln. Die EU wird dafür Darlehen in Höhe von 75 Milliarden Euro anbieten. Die übrigen Gelder zur Finanzierung von akuten Krisen müssten dann vor allem von den USA und asiatischen Partnerländern kommen.

Gleichzeitig verständigten sich die Regierungschefs darauf, den Umfang des 25 Milliarden schweren Notfonds für osteuropäische EU-Staaten, die vor dem Bankrott stehe, auf 50 Milliarden Euro zu verdoppeln. Die EU-Kommission nimmt dabei für die von der Pleite bedrohten Mitgliedsländer Kapital am Finanzmarkt zu günstigen Zinsen auf. "Das ist eine präventive Maßnahme", sagte Merkel. Sie war eigentlich dagegen, um die Märkte nicht noch weiter zu verunsichern.

Andererseits will die Union gewappnet sein, wenn nach Lettland, Ungarn und Rumänien noch weitere Länder Krisenhilfen benötigen. "Die Verdoppelung ist ein Signal der Solidarität", sagte Barroso. Erst vor zehn Tagen war bekannt geworden, dass Rumänien rund 20 Milliarden Euro an Hilfen benötigt.

Jetzt starrt die EU voller Anspannung auf den Weltfinanzgipfel in London. Er soll zum Durchbruch für die Reform der Finanzmärkte werden. Die EU will geschlossen strengere Regeln für Hedgefonds, Derivatemärkte und Ratingagenturen durchsetzen. "Kein Finanzmarkt und kein Finanzmarktakteur soll mehr unbeaufsichtigt sein", sagte Steinbrück. Das sehen im Prinzip alle G20-Staaten so, aber der Teufel liegt im Detail. So forderte die schwedische Regierung am Freitag, dass die neuen Regulierungsmaßnahmen nicht zu mehr Bürokratie führen dürften. Unklar ist auch, wie die Aufsicht genau aussehen soll.

"Man sollte jetzt nicht allzu ambitioniert sein, dass man von heute auf morgen eine gesamteuropäische Aufsicht bekommt", sagte Kanzlerin Merkel.