Rachida Dati (43) ist derzeit Frankreichs unangefochtener Spaltpilz. Seit die Justizministerin vor einer Woche – nur fünf Tage nach der Geburt ihrer Tochter Zohra – wieder zur Kabinettssitzung erschien, tobt eine heftige Debatte über Frauen in Spitzenfunktionen und „Rabenmütter“.

Hamburg/Paris. Frauenrechtlerinnen, Frauenärzte und Gynäkologenverband wettern und warnen. Datis Verhalten liefere Arbeitgebern einen Vorwand, um Frauen mit "unerträglichem Druck" zur eiligen Rückkehr in den Job zu bewegen, so das Kollektiv für die Rechte der Frauen. Der gesetzliche Mutterschutz beträgt in Frankreich normalerweise 16 Wochen. Amtsgeschäfte statt Rückbildungsgymnastik? Laut einer Umfrage vom Sonntag haben 56 Prozent der Franzosen kein Verständnis für Dati.

Die Entscheidung der attraktiven Ministerin trifft einen Nerv, nicht nur in Frankreich. Wer entscheidet, ob die Babypause von Spitzenfrauen in Politik und Wirtschaft zu lang oder zu kurz ist? Das Abendblatt fragte deutsche Spitzenpolitikerinnen und die Antwort fällt klar aus: "Wann eine berufstätige Frau nach der Geburt ihres Kindes zu ihrem Arbeitsplatz zurückkehrt, muss jede für sich vor dem Hintergrund ihrer persönlichen und beruflichen Situation selbst entscheiden," sagt Hildegard Müller, bis 2008 Staatsministerin im Kanzleramt und enge Vertraute Angela Merkels und inzwischen Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft.

"Das ist eine höchstpersönliche Entscheidung, die nicht allgemeingültig beantwortet werden kann. Es ist auch eine Frage des persönlichen Wohlergehens und der persönlichen Rahmenbedingungen", sagt auch die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (46). Natürlich seien Politikerinnen immer eine Projektionsfläche. "Aber es gibt da keine Norm. Die Vorbildfunktion einer Spitzenpolitikerin sollte nicht als Verpflichtung verstanden werden, dass alle Frauen es genauso machen müssten." Sie könne sich vorstellen, dass Dati ihre Entscheidung genau abgewogen habe. "Die Teilnahme an einer Kabinettssitzung heißt ja noch nicht, dass sie ab sofort einen 16stündigen Arbeitstag absolviert."

"Das ist absolut Sache der Frau", sagt auch Silvana Koch-Mehrin (38), Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl 2009 und Mutter von drei Töchtern. "Es ist eine wirkliche Errungenschaft, dass Frauen selbst entscheiden können, dass es keinen gibt, der sagt: Wenn ein Kind kommt, ist die Karriere vorbei. Dafür hat die Frauenbewegung jahrzehntelang gekämpft."

Als Hildegard Müller im Oktober 2006 während ihrer Amtszeit ihr erstes Kind bekam, stellte sie fest, dass es für Mitglieder der Bundesregierung und Staatsministerinnen keine ausdrücklichen Regelungen zu Mutterschutz und Elternzeit gibt. Sie ließ ihr Amt für ein Jahr ruhen, ohne Bezüge.

Haderthauer bekam ihre erste Tochter "genau zwischen der schriftlichen und der mündlichen Prüfung meines juristischen Staatsexamens, da ließen sich die Mutterschutzfristen auch nicht einhalten. Ich habe wenige Tage nach der Geburt wieder mit dem Lernen angefangen." Bei ihrem Sohn zweieinhalb Jahre später habe sie als Referendarin die Elternzeit von acht Monaten genommen.

Silvana Koch-Mehrin hatte eine Beratungsfirma, als 2003 ihre erste Tochter zur Welt kam. Sie habe zehn Tage nach der Geburt wieder mit der Arbeit begonnen, denn "jeder Tag, den ich nicht gearbeitet hätte, wäre mit Konsequenzen für mich wie auch für meine Mitarbeiter verbunden gewesen." Das Baby war jedoch immer in Reichweite, sie konnte Stillpausen machen. Bei ihren beiden nächsten Töchtern, 2005 und 2008, war sie schon Europaabgeordnete, Mitarbeiter halfen beim Wickeln.

Sie hat Verständnis für Dati: "Wenn man einen Spitzenjob macht, ob in Wirtschaft oder Politik, dann schaltet man nicht für zehn Tage sein Mobiltelefon aus, wenn man in den ‚Ferien’ ist", sagt Koch-Mehrin.

In der noch kleinen Riege der bisherigen Top-Politikerinnen-Mütter sahen die Lösungen bisher sehr unterschiedlich aus. Die französische Sozialistin Segolène Royal bekam ihr viertes Kind 1992 als Umweltministerin und kehrte schon kurz darauf ins Büro zurück. Spaniens Verteidigungsministerin Carme Chacon nahm 2008 immerhin sechs von den gesetzlichen 16 Wochen Mutterschutz. Den Rekord hält Sarah Palin, Gouverneurin von Alaska und Amerikas bekannteste Republikanerin: Nach der Geburt ihres fünften Kindes im Mai 2008 hielt es sie gerade mal drei Tage zu Hause aus. Aber Dati ist ein Sonderfall.

Sie ist Sarkozys Vorzeige-Migrantin im Kabinett und will diese Rolle 180-prozentig erfüllen. Aufgewachsen als zweitältestes von elf Kindern marokkanisch-algerischer Eltern in einer Sozialbausiedlung in Burgund, jobbte sie bei einem Ölkonzern, um ihr Jurastudium zu finanzieren. Erst 2006 trat sie Sarkozys konservativer Partei UMP bei. Als Ministerin präsentiert sie sich als eine, die es geschafft hat: in ausgesucht teurer Garderobe und ganz als moderne, unabhängige Frau, die den Namen des Vaters ihrer Tochter bis heute nicht genannt hat. Beruflich will sie keinerlei Schwäche zeigen. Nun versucht sie einen Spagat zwischen Fulltime-Job und Kind. Damit setzt sie sich selbst unter starken Druck.